Jason Statham – Ein Porträt
Jason Statham in »Spy – Susan Cooper Undercover (2015). © 20th Century Fox
Unter den hart und kompromisslos agierenden Leinwandhelden verkörpert Jason Statham die Zukunft – ein modernes Gegenbild zum gepanzerten Macho-Ideal von einst
Solange er und seine Beifahrerin Valentina die explosiven Armbänder tragen, die ihnen der skrupellose Söldner Johnson verpasst hat, ist Frank Martin (Jason Statham) seinem Gegenspieler hilflos ausgeliefert. Also verlässt der »Transporter« die vorgesehene Route und sucht Unterstützung in der Autowerkstatt eines Freundes. Doch schon bald nach seiner Ankunft tauchen dort Johnsons Männer auf. Martin lässt es auf eine Konfrontation ankommen: Etwa zehn Schläger umringen und attackieren ihn von allen Seiten. Mal muss er sich nur eines Widersachers erwehren, mal stürmen gleich mehrere auf ihn zu. Aber das ist letztlich ohne Bedeutung. Selbst drei Gegner auf einmal haben kaum eine Chance gegen den Ex-Elitesoldaten, der alles in eine Waffe verwandeln kann, sogar seine Kleidung. Also streift Frank erst sein Jackett, dann seinen Schlips und schließlich auch sein Hemd ab. Und mit jedem Kleidungsstück entledigt er sich auch eines oder mehrerer Angreifer.
Szenen wie diese sind typisch für die von Luc Besson produzierte »Transporter«-Reihe. Corey Yuens tief in den Traditionen des asiatischen Martial-Arts-Kinos verwurzelte Kampfchoreographien betonen den tänzerischen Fluss von Franks Bewegungen und verleihen jedem Tritt und jeder Drehung, jedem Schlag und jedem Ausweichmanöver eine verführerische Eleganz. Und die wird noch einmal durch die Leichtigkeit betont, mit der sich Jason Statham in diesen Sequenzen von Jackett und Hemd befreit. In den Actionfilmen der 1980er und frühen 90er Jahre haben Regisseure und Kameramänner, und es waren nahezu immer Männer, die gestählten Körper von Sylvester Stallone und Arnold Schwarzenegger, Jean-Claude Van Damme und Steven Seagal wieder und wieder in die Nähe von Skulpturen gerückt. Ihre nackten, von enormen Muskeln geprägten Oberkörper wurden zu Symbolen männlicher Macht.
Natürlich ging auch von diesen »Spectacular Bodies«, wie die Autorin Yvonne Tasker sie genannt hat, eine erotische Faszination aus. Nur war das eine irritierende und zwiespältige Faszination, in der Allmachtsfantasien auf eine Sehnsucht nach Unterwerfung trafen. Selbst Bruce Willis' John McClane, der Working-Class-Cop aus der »Stirb Langsam«-Reihe, war nichts anderes als eine überlebensgroße Inkarnation des All American Hero, ein Held, wie ihn sich das US-amerikanische Kinopublikum in jener Zeit erträumte... Und der heute, in Donald Trumps Vereinigten Staaten, durchaus wieder Konjunktur haben könnte. Als Kämpfer für das Wohl seiner Familie war er der Realität seiner Fans zwar weitaus näher als John Rambo in »Rambo II – Der Auftrag« und »Rambo III« oder auch als Schwarzeneggers Figuren in »Das Phantom-Kommando« und »Predator«. Aber am Ende blieb er doch eine ins Gigantische fantasierte Macho-Figur, der hart arbeitende weiße Mann als Retter des American Way of Life.
Einer derart ideologisch aufgeladenen Vorstellung werden sich wohl weder weibliche noch männliche Fans von Jason Statham je hingeben. Seine Leinwandpersona entzieht sich simplen Zuschreibungen immer wieder und verrät damit viel über den Wandel des Actiongenres in den vergangenen 25 Jahren, einem Zeitraum, in dem es nur wenige echte Stars hervorgebracht hat. Das hängt auch damit zusammen, dass klassische Actionfilme, die immer schon in der Tradition der US-amerikanischen B-Movies der 1940er und 50er Jahre standen, aus den Sälen der Multiplexe mehr und mehr verschwunden sind. Sie wurden von ein paar Blockbuster-Reihen wie der »Fast & Furious«-Serie und der Flut der Superheldenfilme ins Reich der Direct-to-Video-Veröffentlichungen und der Streamingportale verdrängt. Aber noch auffälliger ist, dass die meisten Actionstars, deren Karriere in den späten 1990er Jahren oder am Anfang des 21. Jahrhunderts begonnen hat, fast wie Wiedergänger ihrer Vorbilder wirken.
So weckt Dwayne Johnson auch aufgrund seiner komödiantischen Actionrollen deutliche Erinnerungen an Arnold Schwarzenegger, während Vin Diesel eher den Spuren von Sylvester Stallone und Kurt Russell folgt. Und Scott Adkins, der seine Triumphe eher im Home-Entertainment-Segment feiert, ist in den vergangenen Jahren mehr und mehr in die Fußstapfen Jean-Claude Van Dammes und Steven Seagals getreten. Nur Jason Statham fügt sich nicht in dieses Panorama eines Genres ein, das eher zurückblickt, als nach vorne zu schauen.
Schon in der eingangs erwähnten Sequenz aus Olivier Megatons »Transporter 3« offenbart sich die eigenwillige Modernität, durch die sich Jason Statham unzweifelhaft von den anderen Actionstars unserer Zeit absetzt. Megaton und Statham spielen gezielt mit den Blicken der Zuschauerinnen und Zuschauer. Während Frank Martin kämpft und sich dabei immer weiter entblößt, wird er von Valentina ganz genau beobachtet. Bis dahin hatte die junge Ukrainerin wenig Interesse an dem Mann gezeigt, der sie quer durch Europa fahren soll. Doch in dem Moment, in dem der ungleiche Kampf beginnt, ist sie wie verzaubert. Mit jedem Kleidungsstück, das Frank ablegt, wächst das Begehren in ihrem Blick. Damit wird sie zur Stellvertreterin des Publikums im Kinosaal.
In Valentinas Verlangen spiegeln sich die Reaktionen der Zuschauerinnen und Zuschauer. Der männliche Blick, der so zentral für das Körperkino der 1980er Jahre war, ist metrosexuell geworden. Actionfilme wie die ursprüngliche »Transporter«-Trilogie richten sich längst nicht mehr vornehmlich an ein postpubertäres männliches Publikum. Sie haben sich einer eher weiblichen Perspektive auf den männlichen Körper geöffnet. Und genau darin liegt das Geheimnis von Jason Stathams Erfolg.
Der im Juli 1967 im englischen Derbyshire geborene Schauspieler verkörpert diesen Wandel eines Genres mehr als jeder seiner Konkurrenten. Selbst Keanu Reeves stellt seine Physis in den »John Wick«-Filmen, die ohne Stathams Auftritte etwa in den avantgardistischen »Crank«-Filmen oder auch in »Safe – Todsicher«, Boaz Yakins exzessivem Polizei- und Gangsterfilm, kaum vorstellbar wären, weitaus aggressiver zur Schau. Trotz aller Härte und Brutalität, zu der Stathams Figuren fähig sind, wirken sie auf den ersten Blick nie bedrohlich. Valentinas Faszination angesichts von Frank Martins Martial-Arts-Künsten erwächst auch aus einem Moment der Verwunderung. Damit hätte sie einfach nicht gerechnet.
Selbst heute, nachdem man ihn in zahlreichen Actionfilmen gesehen hat, in denen er die Figur des Transporters auf unterschiedlichste Weise variiert hat, geht von Jason Stathams Kampfkunst, von seinen tänzelnden Bewegungen noch etwas Überraschendes aus. Er ist eben nicht der klassische Actionheld, sondern war von Anfang an immer auch ein Charakterdarsteller, der dem Actionkino eine dezidiert europäische Note verliehen hat. Insofern überrascht es auch nicht, dass es die französischen Filmemacher Luc Besson und Louis Leterrier waren, die ihn mit dem ersten Teil der »Transporter«-Filme als Leading Man im Actiongenre etabliert haben.
Seine ersten Rollen hatte der ehemalige Wasserspringer, der zwölf Jahre lang dem britischen Nationalkader angehörte, in den frühen Filmen Guy Ritchies. Gleich sein erster Auftritt in Ritchies Spielfilmdebüt »Bube, Dame, König, Gras« etablierte Stathams Figur als leicht zwielichtigen, aber im Grunde harmlosen Charakter. Der Hehler Bacon, der seine heiße Ware wie ein Marktverkäufer an einer Straßenecke anbietet, trägt dabei durchaus autobiografische Züge. Statham hatte vor Beginn seiner Schauspielerkarriere nicht nur als Model und Tänzer in Musikvideos gearbeitet. Er hatte sich eine Zeit lang auch als Schwarzmarkthändler durchgeschlagen. Ein biografisches Detail, das man nicht überbewerten sollte, das sich aber gut im Lebenslauf eines Schauspielers macht, der immer wieder Figuren aus der Londoner Halbwelt gespielt hat. Bacon und Turkish, der immer perfekt gekleidete Boxpromoter aus Ritchies »Snatch – Schweine und Diamanten«, sind reine Kinofantasien, die sich aus unzähligen britischen Gangsterfilmen speisen. Ironische Variationen von Filmgangstern, die wiederum nach Vorbild berüchtigter East-End-Berühmtheiten modelliert waren. Aber Statham verleiht ihnen Gravitas.
Vor allem Turkish, der um sein Leben kämpfende Promoter, der zwischen die Fronten der Londoner Unterwelt gerät, wächst von Szene zu Szene mehr über die recht engen Grenzen von Ritchies postmodernem Pastiche-Kino hinaus. Ein wenig erinnert er sogar an den jungen Richard Attenborough, der mit seinen schillernden Auftritten das britische Gangsterkino in den späten 1940er Jahren geprägt hat. Man kann sich nie ganz sicher sein, wozu Turkish bereit ist, wie weit er gehen würde, um sich und sein Geschäft zu schützen. In Ritchies comichaftem Entwurf ist Turkish so etwas wie die Stimme der Vernunft, einer, der das Schlimmste verhindern will. Aber unter all der Eleganz, die er mit seinen schicken Anzügen und Mänteln regelrecht zur Schau stellt, versteckt sich etwas anderes, Unberechenbares.
Ritchie leuchtet die düsteren Seiten dieser Figur zwar nicht aus. Sie bleibt ein offensichtliches Identifikationsangebot. Doch Statham deutet das Dunkle, das Zerstörerische, in seinen Auftritten an, so dass man die ganze Zeit über vor seinem inneren Auge noch einen zweiten Film sieht, der ganz in der Tradition der klassischen britischen Gangsterepen mit ihren meist soziopathischen Antihelden steht. Genau diese Aspekte seiner Figur hat Statham später in Filmen wie Roger Donaldsons »Bank Job« oder Elliot Lesters »Blitz: Cop-Killer vs. Killer-Cop« wieder aufgegriffen. In Lesters Verfilmung von Ken Bruens Roman »Brant« spielt Statham zwar einen Detective Sergeant bei der Londoner Polizei, aber er tritt auf und agiert genauso wie die skrupellosen Gangster und Schläger, die seit den 1970er Jahren eine blutige Spur des Schreckens und der Gewalt durch das englische Genrekino ziehen.
»Tough and uncompromising«, also hart und kompromisslos, sind laut einem vor einigen Jahren im »Guardian« erschienenen Porträt die herausragenden Eigenschaften von Jason Stathams Rollen. Dem lässt sich kaum widersprechen. Doch letztlich ist diese Charakterisierung viel zu vage und zu allgemein gehalten. Genau das lässt sich letztlich über fast alle Helden oder auch Antihelden des Actionkinos sagen. Was Stathams Rollen von denen seiner Vorgänger und Konkurrenten unterscheidet, ist die moralische Ambivalenz seiner Rollen. Ex-Soldaten und Profikiller sind natürlich klassische Action- und B-Film-Charaktere. So war es letztlich schon in den Studio-Western der 1940er und 50er Jahre. Diese Professionals, die sich ihrer Waffen ohne Skrupel bedienen, machen zumindest einen Teil des Reizes aus, den diese Genres zweifellos haben. Man(n) ist meist schnell bereit, sich mit einem Killer zu identifizieren, solange er nur für die richtige Sache tötet.
So ist es auch in Jason Stathams Filmen. Aber anders als viele Actionstars, die versuchen, alles, was einen Helden von einem Antihelden trennt, so weit wie möglich zu verwischen, bewegen sich nahezu alle von Stathams Figuren fortwährend in einer Grauzone. Sie mögen wie Arthur Bishop, der Profikiller aus den beiden »Mechanic«-Filmen, die vermeintlich »richtigen« Menschen töten, Drogenbarone und Waffenhändler, Gangsterbosse und Terroristen. Doch trotz aller Coolness idealisiert Statham diese Killer nicht. Sie bewegen sich aufgrund ihrer Vergangenheit jenseits der Gesellschaft und bleiben, selbst wenn sie am Ende wie in »Safe« in ein bürgerliches Leben aufbrechen, Außenseiter und Gezeichnete, die ihre Taten niemals ganz hinter sich lassen können. Das Vergangene nagt an ihnen und höhlt sie wie den desertierten Afghanistan-Veteranen Joseph Smith in Steven Knights »Redemption – Stunde der Vergeltung« mehr und mehr aus.
Joseph, der sich Joey Jones nennt und einen Job als Eintreiber und Fahrer für die chinesischen Triaden in London annimmt, ist so etwas wie die Quintessenz aller Statham-Figuren. Er sucht Erlösung und Vergebung, kann sich aber nicht von seinen alten Verhaltensmustern lösen. Natürlich war es seine Ausbildung, die diesen Elitesoldaten zu einem eiskalten Killer gemacht hat. Aber es muss auch vorher schon etwas in ihm gewesen sein, das ihn diesen Weg überhaupt erst beschreiten ließ.
Dieser dunkle Kern ist das eigentliche Herz, das Stathams Figuren antreibt. So gesehen war es nur konsequent, dass dem von ihm gespielten Killer Chev Chelios in »Crank 2 – High Voltage« zu Beginn das Herz geraubt und durch eine Batterie ersetzt wird. Die mörderische, teils auch selbstmörderische Energie, die Chelios und all die anderen durchfließt, ist die wahre Essenz des Actionkinos. In »Transporter 3« fragt Frank Martin schließlich Valentina, wen es erregt, ihm dabei zuzusehen, wie er eine Gruppe von Männern zusammenschlägt, und meint damit natürlich auch alle, die ihm aus bequemen Kinosesseln heraus zuschauen. In seinen großen Studioproduktionen wie der »Expendables«-Trilogie und den späten »Fast & Furious«-Filmen, in denen er einmal mehr einen auf Abwege geratenen Elitesoldaten spielt, tritt diese für das ganze Genre eigentlich zentrale Frage mehr oder weniger in den Hintergrund. Blockbuster wie Jon Turteltaubs Hai-Horror »The Meg« und das Spin-off »Fast & Furious: Hobbs & Shaw« setzen einfach auf die Schau- und Sensationslust des Publikums, ohne sie weiter infrage zu stellen. Auch das macht Spaß, vor allem, weil Jason Statham selbst in Filmen, die sich von jeglichem Bezug zur Wirklichkeit lösen, absolut glaubwürdig wirkt.
Am Ende sind es jedoch die brüchigen Figuren, die in Erinnerung bleiben, Männer wie Jake Green in »Revolver«, Guy Ritchies philosophischem Spiegelkabinett der (Selbst)Täuschungen, und Nick Wild in Simon Wests Las-Vegas-Noir »Wild Card«, denen es irgendwann nicht mehr gelingt, sich selbst zu belügen.
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