Kritik zu Verachtung
Eine weitere Folge der Serie aus dem Sonderdezernat Q für ungelöste Fälle. Carl Mørck und sein Assistent Assad müssen einen alten Mordfall mit brennender gesellschaftlicher Relevanz lösen
Zum vierten Mal lösen Sonderermittler Carl Mørck und sein syrischer Kollege mit dem hochironischen Namen Assad einen alten Mordfall auf der Kinoleinwand. Nicht ohne das Zutun des ZDF, das sich ja auf skandinavische Krimiserien spezialisiert hat. Und darin liegt dann auch schon das Problem dieses Filmes. Obwohl Christoffer Boe zum ersten Mal einen Roman von Jussi Adler-Olsen verfilmt, folgt er dem vorgegebenen seriellen Prinzip. Die beiden Ermittler sind in ihrer Entwicklung statisch, selbst wenn Assad hier droht, die Abteilung zu wechseln. Die Missmutigkeit von Carl läuft schon deshalb ins Leere, weil alle wissen, dass er am Schluss kleinlaut darum bitten wird, dass Assad bleibt. Ohne ihn wäre die Serie einfach nicht mehr dasselbe.
Die Stereotypen des Krimis, schnell zur Rettung des Kollegen zu eilen, asynchrone Verfolgungsjagden und der notwendige Kontakt mit schrägen, unglaubwürdigen Typen, werden eingesetzt, ohne der Serie selbst etwas hinzuzufügen. Hier geht es um einen Fall, mehr nicht. Der Fall selbst allerdings ist gelungen. Das Sonderdezernat Q stößt auf einen Raum, in dem drei Menschen gefesselt um einen Tisch herumsitzen. Seit zwölf Jahren sind sie tot. In qualvoller Pose mumifiziert. Vordergründig verbindet die drei, dass sie alle mit einer Besserungsanstalt für Mädchen zu tun hatten, doch ein Motiv findet sich nicht. Erst mal. In der Folge stoßen Carl Mørck und Assad auf eine Art Geheimbund, der mit der Ideologie der Herrenrasse seit den 60er Jahren Zwangssterilisationen vornimmt, um die nordische Gesellschaft rein zu halten von unwürdigem Blut. Die Verfügbarkeit junger Frauen führte nicht nur zu sexuellen Übergriffen seitens des Anstaltsarztes, sondern auch zu damals legalen Zwangsmaßnahmen. »Je weiter die Menschen nach Norden fortschritten, desto gnadenloser war die Selektion. Nur die Intelligentesten überlebten. Diesen gesellschaftlichen Fortschritt dürfen wir nicht gefährden, indem wir Menschen, die das nicht durchmachen mussten, erlauben, sich zu vermehren!« Dieser Unfug, den ein alter Mediziner der Nazis formulierte, wird zum Leitbild der modernen Rassisten.
Tatsächlich wurden in Dänemark in den Jahren zwischen 1933 und 1962 11 000 Frauen zwangssterilisiert. Die Zahl der Vergewaltigungen in Mädchenheimen ist nicht bekannt. Der Film setzt diese Machenschaften bis in die Gegenwart fort. Bis zur sogenannten Flüchtlingskrise. Angesichts der angeblich so vielen dunklen Einwanderer hat sich eine Art medizinische Sekte gebildet, die bei Frauen anonym Abtreibungen vornimmt und sie dabei unbemerkt sterilisiert. Diese jungen, meist muslimischen Frauen schweigen. Aus Angst vor ihren Familien und dem religiösen Umfeld.
Mit seiner historischen Relevanz stößt der Film in ein Wespennest. Sexueller Missbrauch, Rassenwahn und radikale medizinische Eingriffe kommen hier zusammen. Und es ist interessant zu sehen, wie ein Mordfall einfach fallen gelassen wird, um ein anderes, gesellschaftlich viel relevanteres Verbrechen aufzuklären.
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