Kritik zu Abgeschnitten
Christian Alvart verfilmt den im Forensik-Milieu spielenden Thriller des deutschen Rechtsmediziners und Autors Michael Tsokos mit Moritz Bleibtreu in der Hauptrolle
In der deutschen Film- und Fernseh-Landschaft nimmt Christian Alvart eine ziemliche Ausnahmestellung ein. Nicht nur ist er einer der wenigen Regisseure, der seinen Weg fernab des üblichen Hochschulsystems gegangen ist – und es damit sogar bis nach Hollywood geschafft hat (»Fall 39«). Er ist auch fleißiger als fast alle Kollegen: In diesem Jahr brachte er bereits »Steig. Nicht. Aus!« in die Kinos, im Dezember folgt seine mit Spannung erwartete Netflix-Serie »Dogs of Berlin«. Dazwischen kommt nun mit »Abgeschnitten« ein zweiter Film in die Kinos, und mit dem untermauert Alvart einmal mehr sein eigentliches Alleinstellungsmerkmal. Denn kaum jemand hierzulande versteht so viel von Genrekino und allem, was mit Action und Thriller zu tun hat, wie er.
Seine Verfilmung des Romans »Abgeschnitten« von Bestseller-Autor Sebastian Fitzek und Michael Tsokos (seines Zeichens Leiter des Instituts für Rechtsmedizin an der Berliner Charité) nimmt ihren Anfang auf Helgoland. Dorthin hat sich die Comic-Zeichnerin Linda (Jasna Fritzi Bauer) zurückgezogen, um ihrer Vergangenheit zu entkommen. Es zieht ein Sturm auf, der die Insel für Tage von der Außenwelt abschneidet. Gleichzeitig muss in Berlin der BKA-Forensiker Paul Herzfeld (Moritz Bleibtreu) auf makabre Weise feststellen, dass seine jugendliche Tochter von einem Psychopathen entführt wurde. Um sie lebend wieder zu sehen, muss er sich auf eine Jagd nach immer neuen Hinweisen machen. Der erste ist eine Handynummer – und als er die wählt, ist es Linda, die den Anruf entgegennimmt. Gemeinsam und nur übers Telefon verbunden beginnen sie einen Wettlauf gegen die Zeit, in dem das Wetter nur eines von vielen Hindernissen ist.
Es ist der von Alvart selbst adaptierten Vorlage zu verdanken, dass auf der Handlungsebene in »Abgeschnitten« bisweilen arg dick aufgetragen wird, was wiederum zur Folge hat, das für gewisse Plot-Elemente (etwa Lindas stalkender Exfreund) letztlich eher wenig Platz ist. Für komplexere Gedanken zu den Themen Schuld und Sühne – anders als etwa vor 13 Jahren in »Antikörper« – gilt das gleiche. Allzu stark ins Gewicht fällt das allerdings nicht, weil die rasante Inszenierung mit dem einen oder anderen Twist aufwartet und Alvart seine Serienkiller-Story obendrein mit drastisch-blutigen Horror-Momenten durchsetzt.
Vor allem aber beweist er einmal mehr sein Talent für Unterhaltung der düsteren Sorte und für jene Art Hochspannung, wie man sie in unseren von »Tatort« und anderen Fernsehkrimis geprägten Gefilden schon kaum noch gewohnt ist. Die hochkarätige Besetzung tut ihr Übriges. Alvarts Stammschauspieler Lars Eidinger und Fahri Yardim mögen in ihren Nebenrollen zwar überzeugend, aber vielleicht ein wenig allzu naheliegend besetzt sein. Moritz Bleibtreu zeigt unterdessen mal wieder, dass er der verlässlichste unter Deutschlands leading men ist. Und Jasna Fritzi Bauer ist mit einer energiegeladenen Performance das entscheidende Ass im Ärmel von »Abgeschnitten«.
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