Kritik zu Palmyra
In seinem Essayfilm zeigt Hans Puttnies rare Aufnahmen von heute zerstörten Stätten und stellt Fragen zum Zusammenhang von Bürgerkrieg und Weltkulturerbe
Man kann sich dem Thema Syrien auch so annehmen: Hans Puttnies besuchte 2008 die Ruinen von Palmyra, damals eine der herausragenden Sehenswürdigkeiten in der syrischen Wüste. Er unterhielt sich mit den Männern, die sich um die Stätte herum der Touristen annehmen: mit dem Kamelführer, dem Kettenverkäufer, dem Motorradtaxifahrer und vielen anderen. Und vor allem filmte Puttnies, in langen Einstellungen so ausführlich und genau, wie das jemand tut, der weiß, dass er nicht mehr zurückkehren wird. Dass es Palmyra so, wie er es aufgenommen hat, bald nicht mehr geben würde, davon ahnte er nichts. Seine Aufnahmen von damals bieten ihm nun den exzellenten Ausgangspunkt, um über den Zusammenhang von Antike und Kolonialismus, Weltkulturerbe und dem heutigen Bürgerkrieg nachzudenken.
»Palmyra« ist formal ein denkbar einfacher Film: Puttnies benutzt sein Material von damals, schneidet ein paar Archivaufnahmen und später Youtube-Material dazwischen und spricht über allem aus dem Off einen Kommentar. Die Überlegungen und Argumente, die der 70-jährige Autor und ehemalige Hochschullehrer hier anführt, haben es jedoch in sich. Er erzählt davon, wie Palmyra im 17. Jahrhundert neu entdeckt wurde, wie in den folgenden Jahrhunderten die Europäer in den antiken Stätten »ihre« Geschichte rekonstruierten und sich dabei über die eigentlichen Erben dieser Ruinen, den Menschen, die dort lebten, »mit kolonialer Souveränität « hinwegsetzten. So majestätisch schön die alten Tempel und Tore sind, so viel an ihnen zu entschlüsseln war – das Interesse war allzu oft gepaart mit der Ignoranz gegenüber der aktuellen, unmittelbaren Umgebung. Wenige Kilometer weit weg von der antiken Stätte etwa befand sich eines der berüchtigsten Gefängnisse des Assad-Regimes. Die Deutungen, die Antikenforschung und Kulturerbe-Tourismus geschaffen haben, beuten heute die jeweiligen Kriegsparteien für ihre Zwecke aus. So ist »Palmyra« kein Essayfilm, der nur den Zerstörungen nachtrauert, sondern liefert jede Menge Anregungen, darüber hinaus nachzudenken.
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