Kritik zu 8:30

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Irrwege der digitalen Kommunikationstechnologie: Im experimentellen Drama von Laura Nasmyt und Philip Leitner landet ein Vertreter immer wieder auf derselben Verkehrsinsel

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Sigmund Freud verirrte sich einmal beim Durchstreifen einer italienischen Kleinstadt in ein Viertel, in dem »nur geschminkte Frauen an den Fenstern« zu sehen waren. Diese zweifelhafte Gegend wollte er schnell verlassen, fand sich aber wenig später an derselben Kreuzung wieder, an der er, als dieses Missgeschick sich nochmals wiederholte, Aufsehen zu erregen begann. In seinem Aufsatz von 1919 notierte Freud, wie ihn ein Gefühl erfasste, »das ich nur als unheimlich bezeichnen kann«. Um wie viel unheimlicher mag dieses Gefühl wohl sein, wenn sich die gespenstische Wiederkehr des Gleichen in einem gesichtslosen österreichischen Neubauviertel ereignet?

Von dieser Verlusterfahrung erzählt die aus England stammende, nun aber in Österreich lebende Filmemacherin Laura Nasmyth. Ihr Debüt, das sie gemeinsam mit dem Farocki-Schüler Philip Leitner realisierte, beginnt mit einem scheinbar normalen Arbeitstag. Der Vertreter Isaak (Florian Nolden) sitzt mit Kollegen in der S-Bahn. Gespräche finden nicht statt. Jeder für sich murmelt geschäftig klingende ­Anglizismen ins Headset. An ihrem Zielort angelangt, klingeln die Handlungsreisenden an Türen, die sich öffnen und vor der Nase wieder verschlossen werden. Nicht einmal ein »Wir kaufen nichts« ist zu hören. Was für eine Ware bieten Isaak und seine Kollegen überhaupt feil? Man ahnt, dass bereits diese Frage falsch gestellt ist.

Der Vertreter, der in seinem Businessanzug und dem Aktenkoffer wie ein humanoider Roboter erscheint, ist irgendwann von den Kollegen isoliert. Geschäftigkeit simulierend durchschreitet er eine endlos erscheinende, antiseptische Reihenhaussiedlung ohne Pflanzen. Frisch getünchte Fassaden muten wie Farbfelder eines ­kubistischen Gemäldes an. Die geometrisch streng kadrierten Kulissen werden überlagert von elektronisch gerasterten Bildern von Fernsehnachrichten und Überwachungsmonitoren. In diesem monochromen Strom der Bilder landet Isaak immer wieder auf der unwirtlichen Verkehrsinsel eines Autokreisels. Anders als die malerischen Gassen eines italienischen Dorfs, in denen Freud sich verirrte, wird der österreichische Vorort vom Bildgestöber der virtuellen Welt überwuchert. In der originellsten Szene läuft Isaak durch Straßen, die aus der Perspektive von Google-Streetview gezeigt werden.

Der Orientierungsverlust spiegelt sich in der assoziativen Form des Films, der auf sinnvolle Dialoge und eine konventionelle Dramaturgie weitgehend verzichtet. Elektronisch verzerrte Countrymusik, die aus Billiglautsprechern zu plärren scheint, macht schmerzlich spürbar, dass diese Welt nur noch ein Konstrukt aus audiovisuellen Abfällen ist. Allerdings vermittelt sich diese Botschaft recht bald. Wenn die Protagonisten im Zugabteil schweigend nebeneinander auf ihren Smartphones herumtippen, dann wird ihre Entfremdung mit dem ­moralischen Zeigefinger angemahnt. Da die Charaktere sich nicht entwickeln, wirkt das formal streng umgesetzte Experiment irgendwann ermüdend. Länger als 70 Minuten hätte »8:30« nicht sein dürfen.

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