Kritik zu Ein Date für Mad Mary
Der Film des irischen Regisseurs Darren Thornton ist – anders, als der Titel zu versprechen scheint – keine weitere Teenie-RomCom, sondern eine sensibel inszenierte Geschichte über die Selbstfindung einer jungen Frau
Der Titel täuscht. »Ein Date für Mad Mary«, das Langfilmdebüt des irischen Regisseurs Darren Thornton, ist keine grelle romantische Komödie, sondern eine kleine, feine Charakterstudie über eine junge Frau, die sich mehr stolpernd als geradlinig durch einen Wendepunkt ihres Lebens manövriert. Dabei spielt nicht nur der Titel ganz bewusst mit Assoziationen zu Teenagerfilmen und Hollywood-RomComs, sondern auch die Rahmengeschichte: Es geht um die einsame Mary, die für die Hochzeit ihrer besten Freundin einen Begleiter sucht – was leichter gesagt als getan ist. Aber auch diese Inhaltsbeschreibung führt in die Irre, denn Thornton nutzt das klassisch anmutende Motiv der ungeschickten Singlefrau vor allem als Grundierung, verlegt es in ein ungewohnt realistisches Umfeld und inszeniert es mit auffallender Behutsamkeit und zärtlichem Ernst.
Das beginnt schon mit der Titelfigur Mary. Sie ist um die 20 und lebt in der irischen Industriekleinstadt Drogheda. Ihren Spitznamen »Mad Mary« hat sie nicht etwa, weil sie so »lustig-verrückt« ist, sondern weil sie eine Wut in sich trägt, deren Ursache nicht einmal sie selbst zu kennen scheint. Und gerade weil sie in keinem Moment um Sympathien buhlt und die Inszenierung jedes Aschenputtelklischee vermeidet, will man mehr von ihr wissen. Sie kanalisiert ihre Verunsicherung in einen brütenden Zorn, der immer wieder in handfeste Aggression umzuschlagen droht. Zu Beginn wird sie aus dem Gefängnis entlassen. Warum sie einsaß, erfahren wir erst später, in einer kurzen, berührenden Szene, die mit jener für diesen Film so typischen Zurückhaltung und Wortlosigkeit inszeniert ist.
Aber schon vorher liegt Marys Tat wie ein Schatten über ihrem Leben. In ihren Stammclub lässt man sie nicht mehr rein, und ihre beste Freundin Charlene scheint sie nur aus Pflichtgefühl zur Ehrenbrautjungfer erkoren zu haben. Ohnehin kaum vorstellbar, dass die prinzessinnenhafte Charlene und die ruppige Mary einst unzertrennlich waren. Die anderen haben sich verändert und weiterentwickelt, womöglich sogar durch den Schock von Marys Gewalttat. Sie selbst hingegen will da weitermachen, wo sie vor dem Knast aufhörte. Mehr aus Trotz sucht sie nun nach einem Begleiter für die Hochzeit – eine amüsante Szenenfolge aus schieflaufenden Dates, die an amerikanische Vorbilder erinnert. Aber auch hier steht Mary sich vor allem selbst im Weg. Auch als sie den perfekten Begleiter findet und sich wenig später unerwartet verliebt, gelingt es ihr, beides wieder kaputt zu machen. Ein wenig erinnert das auch an »Brautalarm«, der jenseits der schrillen Gags ebenfalls das Porträt einer einsamen, haltlosen Frau war.
In Interviews nannte Darren Thornton die 80er-Jahre-Jugendfilmklassiker von John Hughes als Vorbilder. Tatsächlich erinnert die großartige Newcomerin Seána Kerslake an die junge Molly Ringwald. Ähnlich wie Ringwald in »Sixteen Candles« spielt Kerslake Mary als burschikoses, sich unverstanden fühlendes Mauerblümchen. Diese fein gesetzten Bezüge bettet Thornton in ein Umfeld, das an die Alltagspoesie von Mike Leigh oder den Naturalismus von Ken Loach erinnert, nur ohne den sozialkritischen Furor. Nichts in »Ein Date für Mad Mary« ist aufdringlich, das gilt insbesondere für das überraschend sich entwickelnde schwul-lesbische Motiv. Es wirkt nicht didaktisch, sondern aufgeklärt-romantisch, und auf einmal passen viele Dinge zusammen: Marys Unbehaustheit, ihre Eifersucht gegenüber Charlene, das diffuse Gefühl, in ihrer Welt nicht mehr zu Hause zu sein. Und weil es mehr um ein Coming-of-Age als ein Coming-out geht, wirkt dieser Aspekt so stark nach. Am Ende, in einer Szene, die auch John Hughes stolz gemacht hätte, weicht Marys Wut einer feinen Souveränität, versöhnlich, aber nicht harmlos. Man möchte Thorntons Film eine »Perle« nennen. Wenn das nur nicht so brav klingen würde.
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