Daheim im Klischee
»Hereinspaziert!« (2017) © Universum Film
Eine besonders perfide Pseudotoleranz breitet sich seit einigen Jahren in französischen Komödien aus. Nehmen wir etwa die liebe Not, die der katholisch-konservative »Monsieur Claude« in Philippe de Chauverons Komödie mit seinen vier Töchtern hat. Bringen die ihm doch tatsächlich Schwiegersöhne mit allen Farben und Religionen ins Haus. Könnte nicht wenigstens die letzte von ihnen einen anständigen, weißen Christen heiraten? Vordergründig macht sich der Film über die bourgeoise Engstirnigkeit des Familienvorstands lustig, nur um sie dann mit allen erdenklichen Klischees über Asiaten, Araber und Schwarzafrikaner, über Juden und Moslems zu befeuern. Auch der linksliberale Jean-Étienne Fougerole – Christian Clavier –, der kürzlich in »Hereinspaziert!« eine Romafamilie in seiner mondänen Villa aufgenommen hat, ist nicht besser. Das gleiche Muster hier: Der Film bedient alle gängigen Vorurteile über Sinti und Roma und zieht nebenher auch noch gegen indische Hausangestellte, Schwule und Hausfrauen vom Leder. Statt Vorurteile mit scharfen Witzen zu zerlegen, werden sie zementiert. Selbst in der wirklich warmherzigen und sehr komischen Komödie »Ziemlich beste Freunde« deutete sich diese Tendenz schon an: in der Art, wie der schwarze Pfleger Driss vor allem über seinen Sexappeal definiert war und über den Rhythmus, den er im Blut hat.
Sicher, schlechten Geschmack und grobe Witze hat es in Komödien immer gegeben. Aber könnte es sein, dass viele Menschen sich unter dem Deckmantel der Toleranzkomödie vor allem ihre eigenen Vorurteile bestätigen lassen? Ist es ein Zufall, dass die Zuschauerzahlen solcher Komödien parallel zu den Wählern des rechtsextremen Front National in Frankreich und anderer rechtspopulistischer Parteien in ganz Europa ansteigen? Dass es auch anders geht, zeigt der iranische Editor Sou Abadi in seinem Regiedebüt »Voll verschleiert!«, Start im Dezember. Wenn sich da ein Franzose eine Burka überstreift, um seine Freundin unter den Augen ihres streng muslimischen Bruders zu besuchen, ist das keine Lachnummer, sondern ein sensibles, berührendes Spiel mit Vorurteilen, an dessen Ende eine echte Annäherung steht.
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