Interview mit Bill Nighy über seine Rolle in »Ihre beste Stunde«
Bill Nighy in »Ihre beste Stunde« (2016). © Concorde Filmverleih
Mr. Nighy, in »Ihre beste Stunde« verkörpern Sie einen Schauspieler. Führt so eine Rolle dazu, über den eigenen Beruf zu reflektieren?
Ja, so ist es. Wenn ich über das Verhalten meiner Figur nachdenke, begreife ich: würde ich mich so wie sie verhalten, würde ich möglicherweise nie wieder in meinem Beruf arbeiten. Das ist kein Verhalten, das ich bei mir selber oder meinen Kollege wiedererkenne. Es ist es eher eine Film-Referenz: wie verhalten sich Schauspieler in Filmen? Sie werden oft als eitel, als Primadonnen dargestellt – auch wenn das nach meiner Erfahrung nicht so viel mit der Wirklichkeit zu tun hat. Die Figur des Ambrose Hilliard war eine so schöne wie komische Rolle – und ich konnte endlich einmal mit Lone Scherfig zusammenarbeiten, was ich schon lange angestrebt habe. Ich bewundere ihre Filme, sie hatte mich auch schon in zwei ihrer früheren Filme besetzen wollen, aber das klappte dann leider nicht. Ich werde allerdings im nächsten Jahr wieder mit ihr arbeiten. Sie lacht über meine Witze, das ist ein Weg zu meinem Herzen.
In »Ihre beste Stunde« geht es um die Perspektive einer Frau in der Männerwelt. Holt eine Regisseurin etwas aus Ihnen heraus, was einem Regisseur nicht gelingt?
Das vermag ich nicht zu sagen. Ich wurde schon öfter gefragt, ob es einen Unterschied gibt was ich mit »nein« beantworte. Das ist eine verrückte Idee, als ob die Geschlechtsorgane entscheiden, ob man Regie führen kann oder nicht.Ich habe gerade einen Film mit der spanischen Regisseurin Isabel Coixet gedreht, da habe ich mir genauso wenig wie bei Lone Scherfig je gesagt. »Oh, eine Frau gibt hier die Regieanweisungen.« Meine Jugend fällt in eine Zeit großer Umwälzungen, einer kulturellen Revolution – ich bin ein Kind davon.
Ihre Figur Ambrose Hilliard hat Probleme, sich sein Alter einzugestehen. Können Sie das nachvollziehen?
Mit 39 mag man feststellen, dass man zweimal in der Woche aussieht wie 32, den Rest der Woche aber wie 39 (oder wie 43). Das muss man sich immer vor Augen halten. Ich erinnere mich, wie meine Agentin mich einmal anrief und sagte: »Es ist Hamlet, in Moskau und Tokio, eine Produktion des National Theatre…« – »Nein, Hamlet will ich nicht spielen«, erwiderte ich. – »Nein, nicht Hamlet, sondern Hamlets Onkel, Claudius.« Wenn man begreift, dass man nicht Hamlet, sondern dessen Onkel spielen soll, ist das ein schwerwiegender Moment. Ich weiß, dass Shakespeare der größte britische Dichter ist, aber ich habe kein Bedürfnis, seine Verse zu sprechen.
Der Film, der in »Ihre beste Stunde« konzipiert und gedreht wird, dient nicht nur Unterhaltungszwecken, sondern auch dazu, die Moral der Briten während des zweiten Weltkriegs zu heben…
Ja, der Kinobesuch war damals das große verbindende Gemeinschaftserlebnis. Dass die Filme auch ein verklärendes Bild der Zeit zeichneten, gehört dazu.
Inwieweit ist die Epoche, in der der Film spielt, heute noch im Bewusstsein der Briten verankert?
Ich glaube, bei der Jugend nicht, weil sie das nicht miterlebt hat. Ich selber habe es auch nicht miterlebt, denn ich wurde neun Jahre nach Kriegsende geboren, aber diese Zeit war sehr präsent, etwa in den Erinnerungen meines Vaters, der in der RAF gedient hatte. Viele Menschen hatten Angehörige verloren und viele der Filme, die wir am Sonntagnachmittag sahen, spielten in dieser Zeit – sie waren in Schwarzweiß und billig herzustellen. Nicht zuletzt durch diese Filme hatte ich ein Bild vom Krieg, auch wenn es ein spezielles Bild war, eines, das mit Halbwahrheiten operierte und ein eher nostalgisches Bild jener Jahre entwarf. Wenn man mich fragen würde, worauf sich die Nostalgie richtete, müsste ich wohl sagen, vermutlich war es Nostalgie für eine einfachere Zeit, als all die Alltagskonflikte verschwanden hinter dem Gemeinschaftsgefühl im Angesicht einer großen Bedrohung.
Ambrose Hilliard übernimmt im Film die Aufgabe, wenn auch zunächst widerwillig, einen jüngeren Mitwirkenden zu einem guten oder zumindest passablen Schauspieler zu machen. Haben Sie selber je in einem Film gespielt, wo Sie mit jemandem arbeiten mussten, der vorrangig wegen seines guten Aussehens besetzt wurde?
Glücklicherweise nie.
Sie haben Sich auch nie als Schauspiellehrer für jüngere Kollegen betätigt?
Ich habe mit 16Jährigen gearbeitet, die brillant waren, und mit 65Jährigen, die es nicht waren. It’s not a craft! Nicht jeder kann das – wer es kann, der muss nicht groß studieren. Ich war als junger Mann nicht sehr gut darin zu wissen, was ich wollte, aber ich wusste, was ich nicht wollte. Ich wollte nicht Zeit meines Lebens denselben stupiden Job machen. Wenn mich junge Leute fragen, was sie tun sollten, um Schauspieler zu werden, antworte ich: »Nimm keine Drogen und bezahle Deine Steuern!« Und füge dann hinzu: »Das war ernst gemeint.« Und wenn Dir jemand sagt, »Du musst alles fühlen«, dann ruf einen Polizisten! Denn derjenige hat diesen Beruf offenbar nie für Geld ausgeübt. Schauspiellehrer bringen junge Schauspielaspiranten oft auf falsche Ideen, die muss man ihnen dann am Set erst wieder abgewöhnen. Dafür ist aber gar keine Zeit da.
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