Kritik zu Helle Nächte
Thomas Arslan erzählt mit den Mitteln von Road- und Buddymovie von der Entfremdung zwischen den Generationen
Schon an der Art, wie Michael (Georg Friedrich) mit dem Bauhelm auf dem Kopf am Schreibtisch sitzt, den Blick starr auf die öden Anfänge eines Industriebaus gerichtet, erkennt man, dass es einen Trauerfall gegeben haben muss. Michaels Vater erlag plötzlich einem Herzinfarkt, weit weg im hintersten Norwegen, wo er zuletzt gelebt hat. Männer wie den wortkarg sperrigen Michael hat Georg Friedrich in den letzten Jahren auf immer neue Weise variiert und dafür eine Menge Preise bekommen, zuletzt auf der Berlinale und beim Deutschen Filmpreis. Michael beschließt, zur Beerdigung zu fahren, um die Sache mit dem Vater abzuschließen. Und er will seinen Sohn Luis (Tristan Göbel) mitnehmen, zu dem der Kontakt nach der Trennung von dessen Mutter eingeschlafen ist.
Wenn man sieht, wie dieser schlaksige Junge mit zotteligen Haaren und muffigem Gesicht lustlos vom Flughafen durch den Regen zum Mietauto trottet, spürt man die familiäre Verwandtschaft ebenso wie die Spuren tiefer Verletzungen. Nach dem trostlosen Auftritt der Minitrauergemeinde auf dem Friedhof schlägt Michael vor, noch ein bisschen gemeinsam durch Norwegen zu reisen, um so etwas wie eine Vater Sohn-Geschichte in Gang zu bringen. Widerwillig lässt sich Luis darauf ein.
Die Prinzipien von Roadmovie und Buddymovie basieren auf Annäherung und Versöhnung, doch allzu viel Hoffnung sollte man sich hier weder auf komische Lockerungsübungen noch auf eine emotionale Katharsis machen, was einem dann auch schlagartig vor Augen führt, wie verlogen und oberflächlich viele andere Filme mit solchen Stoffen umgehen. »Wegen dir bin ich nicht mitgekommen«, blafft der Sohn, und auf die Frage, ob er Freunde habe, was das denn für ’ne Frage sei, und auf die Bitte, ihm mal das Wasser zu reichen: »Ich bin doch nicht dein Diener!« Warum sollten sich jahrelange Vernachlässigungen und Demütigungen in einem lapidaren Scherz oder einer halbherzigen Umarmung auflösen? »Zwiebellook?« – »Nur was für Rentner.« – »Sehe ich aus wie ein Rentner?« – »Schon, aber du bist alt, da macht das nichts.« Gnade gibt es hier jedenfalls nicht zwischen den Generationen. Stattdessen tröpfeln sogar die Töne der Filmmusik so vereinzelt dahin, als sperrten sie sich gegen die Melodie genauso wie die Menschen gegen Familienbeziehungen und Freundschaften.
Bei der Premiere auf der Berlinale gab es einige, die bezweifelten, dass es nötig sei, so weit weg zu drehen, um so langweilig immer gleiche Fahrten durch die Landschaft zu filmen. Ja unbedingt! Denn so stellt sich eine immer wieder schmerzliche Authentizität ein, und natürlich entsteht auf widerspenstige Weise auch eine landschaftliche Schönheit, die das verzweifelte Bemühen dieses Vaters adelt, der es mit seinem Sohn nicht ganz so sehr vergeigen will, wie sein eigener Vater es mit ihm getan hat. Die Genauigkeit, mit der solche spröden Momente eingefangen werden, ist dann doch etwas, das die Filmemacher der Berliner Schule trotz aller Widerstände gegen solche Kategorisierungen eint.
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