Öde Schauplätze, Teil 2: Berlin
Berliner Fernsehturm
Sonia ist hübsch und klug, frisch nach Berlin gezogen, und eigentlich studiert sie Mathematik. Aber nachts zieht sie durch die Clubs, verliert sich im Rhythmus der Stadt, hat viel Sex, was sie später in Richtung Prostitution ausbaut – nicht nur wegen der Rechnungen, sondern auch wegen der Selbstfindung. Und weil in Berlin die Schönheit der Stadt nicht direkt auf der Straße zu finden ist, gibt es den Fernsehturm im Hintergrund und die Oberbaumbrücke im Abendrot: »Fucking Berlin«. Sonia ist, wenn man so will, eine Seelenverwandte von Mifti, die mit 16 die Schule geschmissen hat und in einer WG mit ihren zwei Halbgeschwistern wohnt, ausgehalten vom kulturbourgeoisen Papa. Auch sie zieht durch die Berliner Nacht, weil sie nicht weiß wohin, weil die Erwachsenen so schwach sind, und weil sie irgendwie den Halt verloren hat. »Axolotl Overkill«.
Berlin im Film, das ist eine Stadt der Drifter, der Haltlosen, der Unfertigen. Vielleicht ist ja eine Stadt, die noch nicht einmal einen Flughafen fertigbringt, dafür der richtige Ort. Aber: Irgendwie gehen einem die Spaziergänge durch den Großstadtdschungel Marke Berlin doch auf den Geist. Berlin, die Stadt der Veränderung, Berlin, die Stadt der Zügellosigkeit, Berlin, die Stadt der Kreativen, Berlin, die Stadt des Untergrunds. Nun taugen die Protagonist(inn)en aus den Filmen sicherlich nicht für die Tourismuswerbung, aber am Mythos wirken sie doch mit. Dessen Ausstrahlung kann man sich vergegenwärtigen, wenn man aus Versehen einmal am Rosenthaler Platz oder an der Warschauer Straße aussteigt.
Also, liebe Filmkreative, wir wissen, dass Ihr gerne in Berlin lebt. Schließlich fließt ja auch eine Menge Kohle aus den öffentlichen Filmfördertöpfen dahin. Aber wir haben uns inzwischen ziemlich sattgesehen an den Bildern der Hauptstadt. Genau wie an den Vollbärten, die 80 Prozent aller jungen Männer unter 30 hier zu tragen scheinen. Dieser Hype mit den Bärten hat nun seinen Höhepunkt überschritten, habe ich mir sagen lassen. Und Berlin soll auch gar nicht mehr sooo hip sein. Die Szene verlagert sich nach Leipzig. Echt. Liebe Berliner, das ist irgendwo im ehemaligen Osten. Gar nicht so weit weg.
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