Kritik zu Die Mumie
Mumienstoff neu bandagiert: Tom Cruise spielt im ersten Remake der angekündigten »Dark Universe«-Reihe eine leicht vertrottelte Variante von Indiana Jones
Prinzessin Ahmanet beschwört dämonische Kräfte und wird zur Strafe lebendig mumifiziert. 4000 Jahre später befreit ein draufgängerischer Grabräuber die untote Furie aus ihrem altägyptischen Verlies. Der Stoff basiert auf einem Boris-Karloff-Film von 1932 und wurde zwischenzeitlich mehrfach neu bandagiert, zuletzt von Stephen Sommers im Jahr 1999. Mit der aktuellen Neuverfilmung schlägt die Produktionsfirma das erste Kapitel einer ganzen Serie auf. Als Konkurrenz zum erfolgreichen Marvel-Franchise werden bewährte Universalmonster wie der Wolfsmensch, das amphibische Wesen aus »Der Schrecken vom Amazonas«, »Der Unsichtbare« und demnächst »Frankensteins Braut« filmisch reanimiert. Dieses Branding soll hochbudgetierten Blockbuster-Produktionen, die gegenwärtig zur Tendenz neigen, immer ununterscheidbarer zu werden, Alleinstellungsmerkmale verleihen. Alte Monster und ihre Geschichten sollen dabei auf eine zeitgemäße Weise runderneuert werden. In »Die Mumie« zeigt sich dies bereits in der Figurenkonstellation. Da weibliche Charaktere immer mehr Raum einnehmen, verkörpert Megastar Tom Cruise eher einen Antihelden, einen vertrottelten, sich infantil gebenden Indiana Jones, der von einer souveränen Altertumsforscherin gemaßregelt wird: Es geht nicht um »Zeichen«, sondern um »Hieroglyphen«. Humor zählt aber nicht zu Cruises Stärken, weshalb das sich liebende und neckende Paar blass bleibt.
Markanter sind die Randbeobachtungen in diesem atemlosen Spektakel. So wird die Mumie in einem Krisengebiet des heutigen Iraks gefunden, wo beiläufig zu sehen ist, wie IS-Terroristen antike Skulpturen zerstören. Akzente setzt der Film auch bei seiner titelgebenden Figur. Prinzessin Ahmanet, gespielt von der grazilen algerischen Breakdancerin Sofia Boutella, gilt als sichere Thronanwärterin. Als dem Pharao doch noch ein Sohn geboren wird, soll sie als Frau klaglos hinten anstehen. Die wehrtüchtige Ägypterin lässt sich das nicht bieten: Sie meuchelt den Vater, ihren Halbbruder sowie dessen Frau – eine echte Medea. Da sie nach ihrer Reanimierung nichts anderes versucht, als den von Cruise gespielten Morton einzuwickeln, ist diese Mumie doch nicht so ganz in der Gegenwart angekommen.
Wenigstens formal funktioniert die Neuverfilmung wie eine gut geölte Maschine. Alle zehn Minuten wird der Zuschauer von Materialschlachten und Verfolgungsjagden durchgeschüttelt, schwerelos in einem abstürzenden Flugzeug oder unter Wasser, wo Kreuzritterzombies den Helden nach dem Leben trachten. Gefühlt gibt es kein Genremuster, das nicht verbraten wurde. Tom Cruise alias Nick Morton erscheint ein toter Freund als Geist, der ihn verführen will. Und Russell Crowe muss sich als Dr. Jekyll permanent dopen, damit der böse Hyde nicht die Oberhand gewinnt. Visuelle Gestaltung und Atmosphäre verdichten sich dabei nicht zu einer eigenen Handschrift. Angesichts totaler Beliebigkeit weiß man nicht, ob man sich in »Jäger des verlorenen Schatzes«, »Piraten der Karibik« oder einem »James Bond«-Film befindet. Anything goes.
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