Kritik zu Wara No Tate – Die Gejagten
Der japanische Regisseur Takashi Miike fordert gern heraus: Ein cooles Polizistenteam muss einen Kindermörder beschützen, auf dessen Tod der Großvater des Kindes eine Millionensumme zur Belohnung ausgeschrieben hat
Der japanische Regisseur Takashi Miike zeichnet sich durch eine imposante Arbeitswut aus. Um die 90 Kino-, Fernseh- und Direct-to-Video-Filme hat er seit 1991 inszeniert. Die meisten davon sind Genre-Produktionen im Low-Budget-Bereich und wurden, wenn überhaupt, in Deutschland lediglich auf dem Heimkinomarkt ausgewertet. Nur herausragende Werke wie der sanfte, feministisch angehauchte Folterhorror Audition aus dem Jahr 1999 oder der auf der Welle der formelhaften J-Horror-Filme schwimmende The Call von 2003 erfuhren eingeschränkte Kinostarts. Jetzt bringt der amerikanische Major Warner Brothers Miikes Polizeithriller Wara No Tate, der 2013 unter dem Titel Shield Of Straw im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes zu sehen war, in die deutschen Kinos.
Die nackten Beine eines toten Kindes ragen aus einem Abwasserrohr. Die 7-jährige Enkeltochter von Ninagawa Takaoki (Tsutomu Yamazaki), einer der reichsten Männer Japans, ist ermordet worden. Die Analyse der am Tatort gefundenen DNA überführt den Wiederholungstäter Kunihide Kiyomaru (Tatsuya Fujiwara) schon bald als Täter. Ninagawa schaltet daraufhin großformatige Anzeigen in sämtlichen Medien Japans und setzt ein Kopfgeld von einer Billion Yen (etwa sieben Millionen Euro) auf den Mörder aus. Kiyomaru sieht sich nun dem Hass und der Gier einer ganzen Nation ausgeliefert und stellt sich nach dem ersten Mordanschlag blutüberströmt der Polizei in Fukuoka. Secret Police Leutnant Kazuki Mekari (Takao Ohsawa) und sein Team bekommen den Auftrag, den begehrten Mörder lebend ins Polizeihauptquartier nach Tokio zu überführen, damit ihm ein ordentlicher Prozess gemacht werden kann. Als auf der langen blutigen Reise immer mehr seiner Kollegen und Passanten ihr Leben lassen, stellt sich der bislang linientreue Mekari bald die Frage, warum das Leben seines schuldigen Schützlings soviel mehr wert sein soll wie das der vielen unschuldigen Opfer.
Der Kindermörder Kiyomaru ist, gegen das gängige Genreklischee des triebhaft sabbernden Monsters besetzt, ein junger Schönling. Über seine Beweggründe erfährt der Zuschauer recht wenig. Meist lächelt er diabolisch in sich hinein und genießt die ungeteilte Aufmerksamkeit, die sein Fall in der Öffentlichkeit auslöst. Regisseur Miike balanciert in Wara No Tate souverän die spektakulären Schauwerte modernen Actionkinos mit der emotionalen Tiefe seiner bewegenden Geschichte aus. Selbst im Getümmel des rasenden Schnellzuges Shinkansen erfahren wir nebenbei viel über die Biografien der einzelnen Mitglieder der Polizeispezialeinheit. Die für japanisches Genrekino typisch holzschnittartige Deutlichkeit, mit der die Protagonisten ihre Befindlichkeiten ausformulieren, rücken das dramatische Geschehen für westliche Zuschauer vielleicht etwas zu sehr in die Nähe des Kitschs. Der moralische Grundton des Films wird durch diese ungehemmte Expressivität der Schauspieler umso eindringlicher.
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