Nahaufnahme von Imogen Poots
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Imogen Poots gehört zu den neuen englischen »posh actors«: Eltern in der Kulturszene, Privatschulen. Das merkt man in ihren Filmen aber gar nicht so. Da überrascht Poots immer wieder – wie jetzt als Nazibraut in dem Thriller »Green Room«
»Ich glaube an Wunder!« Es gehört schon ein wenig Mut dazu, heute diesen Satz ganz ohne Ironie auszusprechen. Und Isabella wiederholt ihn auch noch, aber nicht, um mögliche Zweifel beiseitezuwischen. Die hat sie nicht. Für sie ist dieses Bekenntnis so selbstverständlich, dass sie es ganz automatisch wiederholt: »Ich glaube an Wunder!«
Den unerschütterlichen Glauben hat die von Imogen Poots gespielte Schauspielerin übrigens mit ihrem Schöpfer, dem Filmemacher Peter Bogdanovich, gemeinsam. Auch er glaubt ohne jeden Vorbehalt, allerdings nicht unbedingt an Wunder, eher schon an das klassische Kino der 30er bis frühen 60er Jahre, also an die goldenen Jahre Hollywoods und damit an Howard Hawks und Ernst Lubitsch, Audrey Hepburn und Barbara Stanwyck. Nur so lässt sich ein Film wie »Broadway Therapy« erklären und verstehen. Eine Screwball-Comedy wie aus den Vierzigern, aber mit Figuren, die ganz auf der Höhe unserer Zeit sind. Darin liegt das Wunder dieses Films. Peter Bogdanovich gelingt es tatsächlich gestern und heute, die romantischen Filme der alten Traumfabrik und den ironischen Gestus des postmodernen Pastiche-Kinos zu versöhnen.
Aber all das wäre ohne Imogen Poots wahrscheinlich nur ein schöner Traum geblieben. Immer wieder spricht die im Juni 1989 in London geborene Schauspielerin in »Broadway Therapy« direkt in die Kamera. Isabella, die vor ihrem Durchbruch am Broadway als Callgirl tätig war, gibt einer Journalistin ein Interview und erzählt von den verrückten Begebenheiten, die sie schließlich nach Hollywood geführt haben. Wenn sie dabei von Wundern spricht, von legendären Hollywoodstars schwärmt und sich selbst als Muse statt als Callgirl bezeichnet, glaubt man ihr sofort jedes Wort. Da ist ein Leuchten in Imogen Poots' Augen und Zügen, das auch den Zuschauer zum Strahlen bringt.
In diesen Interviewszenen scheint nichts selbstverständlicher als eine Rückkehr zu einem Kino klassischer Prägung. Imogen Poots beschwört mit Isabellas breitem Brooklyner Zungenschlag aber nicht nur Erinnerungen an die Working-Class-Heroinen der 30er und 40er Jahre herauf. Sie wirkt zugleich wie eine blonde Schwester Audrey Hepburns. Ein natürlicher Glamour umgibt ihre pragmatische und doch verträumte Zufallsheldin. Im Prinzip stolpert sie in Bogdanovichs altmodischer Hollywoodfantasie von einem Missgeschick zum nächsten und findet gerade dadurch ihr Glück. Doch auch wenn Isabella die Dinge einfach zustoßen, wirkt Imogen Poots nie passiv. Sie strahlt vielmehr eine Energie aus, die sie unberechenbar macht. Alles scheint in ihrem Beisein möglich. Sie lässt sich mitreißen und bestimmt so, wohin es letztlich geht. Oder anders gesagt: Glück muss man eben auch zulassen.
Dieses Absichtslose, mehr oder weniger Zufällige, das den Film wie das Spiel von Imogen Poots prägt, scheint überhaupt ein Merkmal ihrer bisherigen Karriere zu sein. Sie hat sich nie auf eine bestimmte Figur festlegen lassen. Ihre erste große Rolle hatte sie 2008 in dem BBC-Film »Miss Austen Regrets«. Mit diesem eindrucksvollen Auftritt als Jane Austens Nichte Fanny Knight, die so gerne eine Frau wie aus den Büchern ihrer Tante wäre, hatte sie sich für weitere Kostümdramen wie auch für Verfilmungen literarischer Klassiker regelrecht empfohlen. Doch es blieb bei einer kleinen Rolle in Cary Joji Fukunagas 2011 entstandener Adaption von Charlotte Brontës »Jane Eyre«.
Auf diesen eher zu vernachlässigenden Ausflug in ein Genre, das Poots' Hang zu eigenwilligen, immer wieder überraschenden Figuren letztlich nur wenig Raum lässt, folgte gleich einer ihrer subversivsten Auftritte. In »Fright Night«, Craig Gillespies etwas unterschätztem Remake von Tom Hollands Teenhorror-Klassiker »Die rabenschwarze Nacht«, spielt sie eben nicht nur eine typische Scream Queen, die von ihrem Freund gerettet werden muss. Ihre Amy kann sich durchaus verteidigen und ergreift auch selbst die Initiative.
Ähnlich selbstbewusst und stark tritt Poots in Scott Waughs Kinoversion des berühmten Videospiels »Need for Speed« auf. Als Julia Maddon das erste Mal auf den Mechaniker und Rennfahrer Tobey Marshall trifft, spielt sie ganz bewusst die Ahnungslose, um ihn und seine Freunde aus dem Konzept zu bringen. Später wird sie dann in einer der rasantesten Sequenzen des Films einen Hummer-Fahrer eindrucksvoll in die Schranken weisen. Wie schon in »Fright Night« spielt Imogen Poots mit den Klischees eines klassischen Männergenres, um sie dann wie Seifenblasen platzen zu lassen.
Aber nicht nur mit ihrer Rollenauswahl, auch in ihren Filmen gelingt es Poots immer wieder, verblüffende Zeichen zu setzen. So bewegt sie sich in Jon S. Bairds bissiger Verfilmung von Irvine Welshs Roman »Drecksau« meist im Hintergrund. Wie Bairds kaputter Antiheld Bruce nimmt auch der Zuschauer sie zunächst kaum wahr. Doch wenn sie schließlich für eine Szene aus dem Schatten heraustritt, ändert sich sofort auch der Ton des Films. Für einen Augenblick ist der Zynismus, der diese Geschichte eines kaputten schottischen Polizisten mehr als alles andere prägt, vergessen. Zum ersten Mal scheinen echte Gefühle auf.
In Jeremy Saulniers »Green Room«, in dem sich eine Punk-Band und einige Neonazis einen erbitterten Kampf auf Leben und Tod liefern, zeigt sich noch einmal, wie unberechenbar sie ist. Auf den ersten Blick erkennt man sie gar nicht wieder. Mit dem direkt über den Augenbrauen endenden Pony und den langen hellblonden, an den Seiten glatt herunterhängenden Haaren weckt Amber, diese amerikanische »Kriegerin«, die plötzlich von ihren eigenen Leuten bedroht und gejagt wird, Erinnerungen an Iggy Pops Song »Nazi Girlfriend«. Doch das Äußere täuscht hier ebenso wie schon in »Broadway Therapy«. Sie, die ihre Neonazi-Aktivitäten lakonisch mit einem traumatischen Erlebnis erklärt, ist die komplexeste Figur in Saulniers düsterem Thriller. Eine Mitläuferin, die schließlich die Situation in die Hand nimmt. Am Ende ist sie das dunkle Spiegelbild der lichten Isabella. Die eine ist der Stoff, aus dem die Träume des amerikanischen Kinos sind, die andere der Stoff seiner Albträume.
... Kritik zu »Green Room« (Start: 2. Juni)
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