Kritik zu Eisenfresser
Sie sind einfach fotogen, die gigantischen Schiffwracks, die am Ufer von Chittagong direkt auf den flachen Sandstrand gefahren werden – ein Dokumentarfilm über die Arbeiter, die die Stahlkolosse mit bloßen Händen in ihre Einzelteile zerlegen
Der Strand von Chittagong hat mittlerweile eine Art Weltruhm erlangt. Die Bilder der Männer, die barfuß auf den Giganten herumklettern und unter widrigsten Bedingungen unseren Industrieschrott entsorgen, sind zu anschaulichen Metaphern globaler Arbeitsteilung im Spätindustriezeitalter geworden und wurden auch filmisch schon mehrmals (etwa in Michael Glawoggers »Working Man's Death«) präsentiert.
Das ehemalige bengalische Fischerdorf Chittagong ist in den letzten Jahrzehnten zu einem Zentrum der globalen Schiffsverschrottung geworden, das insgesamt drei Millionen Menschen Arbeit gibt. Vor Ort wird jedoch nicht gerne offen über das gefährliche Gewerbe gesprochen, das jährlich viele Verletzte und Tote unter den Wanderarbeitern fordert, den einheimischen Fischern aber Wohlstand gebracht hat.
Auch Regisseur Shaheen Dill-Riaz, selbst in der Nähe aufgewachsen, wurde erst über die Fotografien von Sebastiao Salgado auf das Treiben in der Nachbarschaft aufmerksam. Doch dann erwachte die Neugierde des HFFBabelsberg- Absolventen und er wollte mehr erfahren über die Menschen, die hier ihr Leben riskieren und »Lohakhor« genannt werden: »Eisenfresser«.
2001 begann Dill-Riaz zu recherchieren; 2005 durfte er dann mit seinem Team vier Monate auf der PHP-Werft stehen, die ihm von der Bangladesh Shipbreakers Association als Drehort vorgeschlagen wurde. Die ist nach regionalen Maßstäben eine Vorzeigewerft, schließlich steht der Name PHP für »Peace, Happiness and Prosperity«. Und auch der Boss sieht sich gönnerhaft als Wohltäter seiner Arbeiter. Die allerdings verdingen sich hier nur aus blanker Not. Es sind Bauern aus dem Norden, die vor den saisonalen Hungersnöten flüchten. Die meisten wollen nach ein paar Monaten zu ihren Feldern zurück. Doch einmal in Chittagong angekommen, werden sie in einem raffinierten und undurchschaubaren System von einbehaltenen Lohnabzügen und Vorschusszinsen schnell in eine Schuldabhängigkeit getrieben, die am Ende vom Lohn so wenig übrig lässt, dass es nicht einmal mehr für die Fahrkarte nach Hause reicht: kapitalistische Ausbeutung im brutalen Urzustand.
»Eisenfresser« begleitet einige der Wanderarbeiter von ihren Dörfern zur Arbeit auf der Werft, wo sich die Kamera ebenso aufmerksam wie diskret ins Geschehen mischt und das Filmteam mit den Arbeitern in Schlamm watet. Doch bei aller Empathie und Nähe: Erfreulich viel Mühe verwendet Dill-Riaz auf die Untersuchung und Ausleuchtung der ökonomischen und sozialen Geflechte und Hierarchien am Ort und auf die Vorstellung der beteiligten Akteure vom Vorarbeiter bis zum Chef. Insofern ist »Eisenfresser« auch ein filmästhetisches Gegenprogramm zur archaisierenden Entkontextualiserung von Arbeit etwa in Glawoggers »Working Man's Death«. Verklärt wird in »Eisenfresser« nichts, auch wenn die pastosen Texturen und pastellfarbenen Lichtstimmungen dank sorgfältiger Postproduktion manchmal betörend schön sind. Aber es muss ja nicht immer gleich graudüster und wackelig werden, wenn es darum geht, unschöne Zustände besser zu verstehen.
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