Kritik zu The Happening

© 20th Century Fox

Einmal mehr lässt M. Night Shyamalan Esoterik und Popcorn-Kino, Schreckenspoetik und unfreiwilligen Humor aufeinandertreffen: In seinem neuesten Film bricht eine rästelhafte Selbstmordepidemie aus

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Ein Stau auf den Straßen einer Großstadt. Ein Polizist, der gerade noch freundlich den Verkehr regelte, zieht plötzlich seine Dienstpistole und erschießt sich. Die Waffe fällt zu Boden, ein Passant nimmt sie auf – und erschießt sich. Eine Passantin tut es ihm gleich, und so geht das weiter. Die Kamera bleibt dabei auf dem Boden, vermeidet jeden Splattereffekt und konzentriert sich auf die Aura der Selbstzerstörung, die von der Waffe ausgeht. Die zweite Szene: Bauarbeiter, die gerade mit dem Förderkorb von einem Hochhaus heruntergekommen sind, unterhalten sich mit den üblichen Witzen, als neben ihnen ein Körper aufschlägt. Sie sind entsetzt und rufen nach einer Ambulanz, da hat sich schon der zweite Kollege in die Tiefe gestürzt. Immer schneller folgen die Todesstürze einander; es regnet Selbstmörder.

Das könnte ein Thema dieses Films sein: Selbstzerstörung als serielles Massenphänomen. Und das hat seine grausige Poesie. Leider ruiniert Shyamalan diese Möglichkeit, indem er solch artistisch-abstrakten Darstellungen andere Selbstmordszenen folgen lässt, wie etwa das Selbstopfer in einem Löwenkäfig oder die Autoliquidation durch einen Rasenmäher, welche die Grenze zum Ed-Wood-Gedächtnis-Segment der kinematografischen Fantastik mehr als touchieren.

Unfreiwilliger Humor lauert freilich bereits in der Grundidee: Wie eine rätselhafte Seuche greift ein Zwang zum Selbstmord um sich. Die Leute fliehen aus den betroffenen Gebieten, doch das Giftgas, die Strahlung, das Suggestionsphänomen, was immer es auch sein mag, verfolgt sie. Ein Gärtner liefert nebenbei die Erklärung für das mysteriöse Geschehen: Keine Terroristen, kein aus dem Ruder gelaufenes CIA-Experiment, sondern Pflanzen, die sich bedroht fühlen, können zur Verteidigung eine Substanz produzieren, die ihren ärgsten Feind, den Umweltsünder Mensch, zur Selbstvernichtung treibt.

In der apokalyptischen Szenerie ist, natürlich, auch wieder eine mythische Familie unterwegs, ein junges Ehepaar mit Beziehungsproblemen nebst der Tochter eines Freundes. Die kleine Odyssee der postapokalyptischen Familie endet im einsamen Haus einer selber etwas unheimlichen alten Dame ohne Telefonanschluss, die wirkt, als wäre sie aus einem ganz anderen Film übrig geblieben. Oder als wollte man, wenn man schon so ausgiebig »The Birds« zitiert, gleich noch einen Hauch »Psycho« abgreifen.

Aus dieser Konstellation hätte man immerhin ein zynisch-satirisches Splattermovie machen können, eine ironische Hommage an Weltuntergangsfilme oder eine grimmig moralische Öko-EC-Comic-Variante. Der Regisseur kann sich aber für nichts davon recht entscheiden. Sein Film, sagt der Regisseur, handele von Paranoia. Aber alle damit verbundenen Impulse, Hysterie, Medienverstärkung, das Bösartige im Überlebenskampf werden nur abgehakt, ohne filmisch erfahrbar zu werden. Die Menschen im Zentrum des Geschehens sind ganz einfach zu uninteressant und klischeehaft, als dass sich in ihnen etwas von der furchtbaren Entfremdung spiegeln könnte, die eine solche Umkehrung der ökologischen Katastrophe auslösen müsste.

Der Trick des Regisseurs war stets, auf mehr oder weniger raffinierte Weise seinen Mystery-Religions-Remix ins Popcorn-Universum zu schmuggeln. Diese Filme greifen, ganz sanft, das abendländische Konzept des Subjektes an; es ist da und doch nicht da, mit einem Teil in der Welt der Geister, der Toten, des Kosmos. »Glaube ist Akzeptanz«, sagt der Regisseur. Die Gratifikation dafür, dass man sich das gefallen ließ, war in den ersten Filmen eine überraschende Pointe, durch die man gezwungen war, das vorher Gesehene neu zu bewerten. Das hat von Film zu Film weniger funktioniert. Mehr und mehr erweisen sie sich als Gutenachtgeschichten eines mehr als naiven Esoterikers: Im sanften Gruseln obsiegt der liebende Trost, die Versöhnung zwischen Menschen und Geistern, zwischen Geschichte und Kosmos. Nicht aufwachen, sondern gut weiterschlafen. Je weniger das Märchen funktioniert, desto deutlicher wird das Programm. Und wenn man den vorläufigen Schluss des Films mit der Aussage – »Glaube ist Akzeptanz « – noch einmal genauer ansieht, könnte man neben Langeweile sogar noch einen gewissen Zorn empfinden. Wäre denn »The Happening« ein besserer Film.

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