Serien-Tipp: »The Night Manager« und »London Spy«
»The Night Manager« (Serie, 2016) © AMC
Der Geheimdienst Ihrer Majestät betont auf seiner Website, dass er ein inklusives Unternehmen ist: »Wir schätzen und fördern die Differenz«. Tatsächlich hat die Inlandsabteilung MI5 gerade eine Auszeichnung für ihr Diversitätsmanagement bekommen. Einem schwulen oder schwarzen, einem Bond aus der Arbeiterklasse gar stünde von der Seite also nichts mehr im Wege.
Schauen wir mal, was die BBC dazu meint. Die hat gerade zwei prominent besetzte Miniserien herausgebracht, die dem Agententhriller, der seit dem Ende des Kalten Kriegs in der Krise steckt, aufhelfen sollen. »The Night Manager« aktualisiert einen mehr als zwanzig Jahre alten Roman von John Le Carré; »London Spy« ist die erste TV-Arbeit des Schriftstellers Tom Rob Smith (»Child 44«).
Der Nachtmanager – das ist Tom Hiddleston als Jonathan Pine, ein Mann mit Militärvergangenheit, der in einem Kairoer Grandhotel im »Winterschlaf« liegt. Bis ihm ein brisantes Dokument und die Leiche einer schönen Frau vor die Füße fallen. Pine lässt sich vom britischen MI6 in den Clan des medienaffinen Superreichen Richard Roper (Hugh Laurie) einschleusen, der offiziell mit Agrartechnik befasst ist, tatsächlich aber Waffen in Krisengebiete verkauft. Die Geschichte des eher wendigen als explosiven Undercover-Agenten kommt unter der Regie von Susanne Bier nicht recht in die Gänge. Viel Chardonnay muss fließen, lange der Mond die Palmwedel beglänzen, bevor der Held das Vertrauen rechtfertigt, das der Verbrecherboss einerseits und die »Handlerin« vom MI6 (Olivia Colman) andererseits in Jonathan setzen.
Tom Hiddleston hat sich kurz nach dem Start der Serie offensiv um die Bond-Nachfolge beworben – das Workout, das aus einem leptosomen einen athletischen Körper gemacht hat, soll nicht umsonst gewesen sein. Dabei werden gerade die Bond-Klischees dem »Night Manager« zum Verhängnis. Die Mechanik, mit der sich jede Frau in ein Groupie verwandelt, sobald sie des Spions ansichtig wird, die aufgetragene Weltläufigkeit und der High-End-Konsum – Hiddlestons feines Lächeln, als ihm einer dieser engen 007-Anzüge angepasst wird: Das funktioniert nicht, wenn man keinen Comicschurken im Programm hat, sondern einen, der Giftgas gegen bitterarme Kinder in Anschlag bringt.
»London Spy« ist bescheidener. »I haven't read many books. I haven't been to many places«, sagt Ben Whishaw da einmal. »But I have fucked a lot of people . . . « Und das muss man im Unterschied zu den Affären des Nachtmanagers als Antriebskraft ernst nehmen. Danny ist ein unauffälliger junger Londoner in Chucks und Pullis, der sich mit einem Job in einer Versandfirma durchbringt und in Vauxhall lebt – einem Viertel, das von Schwulenclubs und der postmodernen Burg des MI6 am Themseufer geprägt ist. Nach einer durchtanzten Nacht findet Danny dort die Liebe seines Lebens – den genialen, mysteriösen und schüchternen Mathematiker Alex. Der schockierende Tod von Alex, inmitten eines BDSM-Szenarios, das selbst die an Skandale gewöhnten englischen Politiker erröten lassen könnte, setzt eine kataklysmische Kette von Ereignissen in Gang – Danny wird bedroht, erpresst, diffamiert. Die Kamera klebt an diesem Jungen; sie folgt ihm und seinem einzigen Freund, einem ebenfalls schwulen Exagenten (Jim Broadbent), durch Szenelokale, Herrenhäuser und Abbruchbuden – auf der Suche nach der Wahrheit.
Denn Danny ist nicht nur ein Opfer politischer Manipulation; er ist ein Agent in eigener Sache, mit eigener Methode. »London Spy«, aus einem Guss inszeniert von Jakob Verbruggen, spricht vom insistenten Score bis zu den glühenden Dunkeltönen immerzu von Gefühlen – Liebe, Trauer, Empörung. Es ist Intuition, die Danny die Inszenierung rund um den Mord an seinem Liebhaber durchschauen und den entscheidenden »Code« knacken lässt; es ist sein Körpergefühl – die Erinnerung an viele fucks –, das ihm sagt, wer Alex war und dass er zumindest im Bett nicht gelogen hat. Whishaw, gerade noch als hypernerdiger Q in »Spectre« zu sehen, spielt das mit herzzerreißender Offenheit – allein die endlose Szene, in der Danny auf das Ergebnis eines HIV-Tests wartet, ist ein Drama für sich. So löst die Serie ein Genre, das vom Kalkül und der Rechnung auf the greater good geprägt ist, in dem der Einzelne nichts zählt, vom Subjekt her auf.
Ob Danny beim Geheimdienst arbeiten könnte? Nur wenn sie Rentiersocken zum Maßanzug akzeptieren.
»The Night Manager« startet am 28.3. bei Amazon Instant Video und am 21.4. auf DVD (Concorde).
»London Spy« gibt es vorerst nur auf Englisch: bei amazon.com, als DVD ab 12. April.
Kommentare
The Night Manager
Dieser Serie tut die Autorin denn doch ein wenig unrecht. Wieso die Geschichte für sie „nicht recht in die Gänge kommt“, leuchtet mir nicht ein – schon die Vorgeschichte in Kairo ist eine relativ knapp erzählte, spannungsgeladene Episode, und der Vierjahressprung, nach dem in Pines neuer Existenz der Schurke von damals unversehens wiederauftaucht, läßt einen gleich weiter den Atem anhalten. Gerade die Mallorca-Folgen, in denen sich der Held in Ropers Vertrauen einschleicht, entsprechen in ihrer zögerlichen Gangart sicherlich exakt der Natur eines solchen Infiltrationsprozesses: man beobachtet da eine vorsichtige Wanderung über eben sehr dünnes Eis, ständig begleitet von der Gefahr des Auffliegens, sei es durch Corkys Mißtrauen, sei es durch das sich anbahnende Verhältnis mit Jed – alles unter den Augen des scheinbar jovialen, aber mephistophelisch abgründigen Roper. Mich hat das keine Sekunde gelangweilt.
Auch bei den Bond-Klischees übertreibt die Rezensentin. Die „aufgetragene Weltläufigkeit“ ist eben keine aufgesetzte, sondern erklärt sich in der Logik der Geschichte vollkommen schlüssig aus Pines jahrelanger Arbeit in internationalen Luxushotels; wo, wenn nicht in solcher Position, erwirbt man sich jene Weltläufigkeit, die sogar noch die der exklusiven Jetset-Gäste selbst übertrifft. Der „High-End-Konsum“ wiederum geht ja nicht von Pine aus, sondern von seinem dekadenten Gastgeber/Boß, Pine läßt das über sich ergehen, um in der Rolle zu bleiben, aber sein „feines Lächeln“ wirkt meist eher verlegen als selbstgewiß. Hiddleston spielt das alles ganz ernst und ohne Netz und doppelten Boden, da ist nichts von der spielerisch-selbstironischen Attitüde, wie sie zum Bond-Klischee gehören würde. Wenn Pine Angst hat, hat er Angst – und das kommt öfter vor. Ein Bond hat nie Angst. (Weil er immer nur mit Comicschurken zu tun hat, wie die Rezensentin anmerkt, was bei Pine keineswegs der Fall ist. Aber gerade deswegen funktioniert es auch: Pine ist eben kein Bond-Verschnitt.)
Allerdings, mit dem Frauenhelden-Klischee hat sie nicht ganz unrecht. Auch wenn so viele Frauen wie in einem durchschnittlichen Bond ja gar nicht auftauchen: Sophie (eine Frau in höchster Not, die jemanden braucht, dem sie sich anvertrauen kann – warum nicht dem vertrauenerweckenden Hotelmanager, der einen Leuchtturm der Zivilisiertheit in ihrer von Macho-Brutalos bevölkerten Welt darstellt, das ist durchaus nachvollziehbar), das Mädel in England (ein Landei, das nicht lange fackelt, als ein Kaliber wie Pine an ihrem Horizont erscheint – auch einleuchtend), und zuletzt Jed (die sich aber keineswegs, wie die Rezensentin meint, „in ein Groupie verwandelt, sobald sie des Spions ansichtig wird“, sondern doch recht lange ihre Distanz wahrt und erst nach und nach aus ihrer eigenen Not heraus sozusagen den Leidensgenossen in ihm sieht). In allen drei Fällen schadet es natürlich nicht, daß Pine tatsächlich ein Mannsbild ist, das den Augen nicht wehtut. Vollkommen überzockt wird das nur, wenn ich mich recht erinnere, in einer einzigen Szene: als die Gruppe in Mallorca unterwegs ist und Roper seiner Frau nahelegt, sie solle sich – während er noch geschäftlich zu tun hat – in der Zwischenzeit von Pine zu einem Drink ausführen lassen, und er fügt spaßhaft hinzu, sie möge mit ihrer Zusage nicht zu lange zögern, sie habe Konkurrenz. Dabei wird ein Grüppchen junger Frauen eingeblendet, die aus einiger Entfernung zum Helden herüber giggeln und blinkern und winken; meine Güte, dachte auch ich in dem Moment, das hätts jetzt aber nicht gebraucht. Aber, wie gesagt – ein seltener Ausrutscher in dieser sonst ziemlich gelungenen Serie.
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