Venedig: Im Zeichen des Streiks
»Ferrari« (2023). © Eros Hoagland
Am Mittwoch beginnt das Filmfestival von Venedig. Die 80. Mostra lockt mit hochkarätigen Filmpremieren, leidet aber an der Unsicherheit, die der Streik in Hollywood mit sich bringt: Welche der prominenten Stars werden zur Premiere am Lido anreisen?
Es hätte alles ein bisschen anders kommen sollen: Mit »Challengers« von Luca Guadagnino hatte das Filmfestival von Venedig einen quasi idealen Eröffnungsfilm angekündigt, der die Anziehungskraft der jungen Popikone Zendaya mit dem Stolz auf den Hollywood-Erfolg eines italienischen Regisseurs verband. Doch dann wurde wegen des Streiks in Hollywood der Start des Films ins nächste Jahr geschoben und die Premiere am Lido abgesagt. Mehr denn je geht es seither vor der 80. Mostra um die Frage, welche Hollywood-Prominenz sich den wirksamen Foto-Shoot bei der Ankunft am berühmten »Palazzo del cinema« auf dem Motorboot trotz allem nicht entgehen lassen kann und will.
Zur großen Erleichterung der Festivalmacher und -besucher konnte immerhin der mit großer Spannung erwartete »Ferrari« eine Ausnahmegenehmigung erwirken. Mit Adam Driver, der im Biopic des 80-jährigen amerikanischen Meisterregisseurs Michael Mann den Rennsportbegründer Enzo Ferrari verkörpert, ist das Kommen eines der beliebtesten Stars des aktuellen internationalen Kinos garantiert. Auch Sofia Coppola darf ihr Schauspielduo Cailee Spaeny und Jacob Elordi mitbringen, das in ihrem Film »Priscilla« die Titelfigur und Elvis Presley verkörpert. Ausnahmegenehmigungen erteilt die streikende Schauspieler-Gewerkschaft SAG Aftra, wenn Filmproduktionen sich verpflichten, ein bestimmtes Bündel der Streik-Forderungen wie zum Beispiel Mindestlohn zu erfüllen.
Für andere hochkarätige Titel des Programms gab es dagegen Absagen: David Finchers ebenfalls heiß erwarteter Thriller »The Killer« wird ohne Michael Fassbender auskommen müssen. Fincher selbst kehrt nach langen Jahren erstmals wieder an den Lido zurück, zuletzt feierte er hier mit »Fight Club« 1999 Premiere. Große Erwartungen begleiten auch den neuen Film des Griechen Yorgos Lanthimos. Sein neuer Film »Poor Things« tritt trotz Verschiebung des Kinostarts im Wettbewerb an. Die geschlechtertauschende Frankenstein-Variante mit Emma Stone, Willem Dafoe und Mark Ruffalo muss ohne Starbegleitung glänzen.
Obwohl Regisseure vom Streik nicht betroffen sind, wird auch Bradley Cooper nicht kommen, um seine zweite Regiearbeit nach »A Star is Born« zu präsentieren, denn er spielt in »Maestro«, dem Biopic zum Dirigenten Leonard Bernstein, auch selbst die Hauptrolle. Noch hofft man aber, dass die Produzenten des Films, Steven Spielberg und Martin Scorsese, die Lücke füllen werden.
Einmal mehr könnte aus der Krise auch eine Chance erwachsen: An namhaften Talenten aus aller Welt wird es trotz allem nicht mangeln. Stark vertreten sind vor allem die europäischen Produktionen. Allein Italien ist mit vier Filmen und zwei weiteren Koproduktionen im Wettbewerb vertreten. Auch Deutschland schickt mit »Die Theorie von allem« von Timm Kröger einen vielversprechenden Beitrag. In seinem erst zweiten Regiewerk lässt er Wissenschaftler zu Beginn der 60er bei einem physikalischen Kongress in den Schweizer Alpen existentielle Fragen verhandeln. Es spielen unter anderem Jan Bülow und Hanns Zischler. Vertreten ist das deutsche Kino auch durch Franz Rogowski, der in Giorgio Dirittis Weltkriegsdrama »Lubo« die Titelrolle eines jenischen Musikers spielt.
Es wird also viele Biopics und viel Historie geben in diesem 80. Jahrgang des ältesten Filmfestivals der Welt, in dem wie gehabt die alten weißen Männer dominieren - mit wenigen erfreulichen Ausnahmen. Während die amerikanische Regisseurin Ava DuVernay (»Selma«) in »Origin« den Wurzeln des amerikanischen Rassismus nachgeht, beleuchtet der Chilene Pablo Larraín in »El Conde« die Geschichte seines Landes aus einem fantastischen Blickwinkel heraus: Er imaginiert Diktator Augusto Pinochet als 250 Jahre alten Vampir. Insgesamt konkurrieren 23 Filme um den Goldenen Löwen. Das Festival läuft vom 30. August bis zum 9. September.
Jury-Präsident ist der amerikanische Regisseur Damien Chazelle, mit dessen »La La Land« das Festival 2016 eröffnete. Er fällt sein Urteil zusammen mit den Filmemachern Saleh Bakri, Jane Campion, Mia Hansen-Løve, Gabriele Mainetti, Martin McDonagh, Santiago Mitre, Laura Poitras, die im letzten Jahr für »All the Beauty and the Bloodshed« den Goldenen Löwen erhielt, und der Schauspielerin Shu Qi.
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