Nachruf: Ryan O'Neal
Ryan O'Neal und Ali MacGraw in »Love Story« (1970)
20.4.1941 – 8.12 2023
Er war leicht zu entwaffnen. Seine Figuren mochten sich noch so sehr abstrampeln, mochten noch so sehr protestieren, aber insgeheim spürten sie, dass Widerstand zwecklos war. Sie gerieten einfach immer an Frauen, die willensstärker und aufgeweckter waren. Das fing mit Ali McGraw in »Love Story« an, mit deren keckem Spott er kaum Schritt halten konnte. Auch den Verrücktheiten von Barbra Streisand in »Is' was, Doc?« war er partout nicht gewachsen. Zum Teufel, selbst die 9-jährige Addie (gespielt von seiner Tochter Tatum) führte ihn in »Paper Moon« ständig an der Nase herum!
Ryan O'Neal absolvierte derlei Tauziehen als ein souverän Reagierender. Er war ein straight man mit exzellentem Timing und Instinkt, der seinen Gegenspielerinnen gleichsam demütig die charismatischeren Rollen überließ. (Angeblich jedoch hat er es Tatum nie verziehen, dass sie den Oscar gewann.) Sein blendendes Aussehen trug er mit Würde. Seine athletische Statur hätte ihn eigentlich für tatkräftigere Figuren empfohlen. Ursprünglich wollte er Boxer werden, tatsächlich stand er einmal mit Joe Frazier im Ring. Den Faustkampf mit einem Hünen sollte er 1975 in »Barry Lyndon« resolut für sich entscheiden.
Vor der Kamera fing er Ende der 1950er als Stuntman und Lichtdouble an, arbeitete sich dann in Kleinrollen hoch, bevor er mit über 400 Auftritten in der Serie »Peyton Place« berühmt wurde. Er hatte mithin ein Jahrzehnt solider Erfahrung hinter sich, als er 1970 mit »Love Story« mit einem Schlag zum Star wurde. Damals war er noch ein wenig pausbäckig und brachte eine engelhafte Unschuld in die Rolle des alsbald trauernden Witwers ein. Nachdem er eine ganze Generation zum Weinen gebracht hatte, setzte er fortan alles daran, sie zum Lachen zu bringen. Im Grunde war ja bereits die erste Stunde von »Love Story« eine flotte Dialogkomödie. Als Epigone Cary Grants war O'Neal in »Is' was, Doc?« (1972) unverschämt sexy. Von da an hatte er einen guten Lauf. Seine Leichtfertigkeit war verlockend und disponierte ihn für einnehmende Gaunerrollen: den Juwelendieb in »Webster ist nicht zu fassen«, den Bauernfänger in »Paper Moon« (beide von 1973, als ihn die Kinobesitzer zum stärksten Kassenmagneten nach Clint Eastwood kürten) und schließlich den Hochstapler in »Barry Lyndon«. Unter Stanley Kubricks Regie wagte er es, sein Image zu unterlaufen. Zuerst muss er, als ergriffen Verliebter, wach geküsst werden von seiner raffinierten Cousine und lässt sich zu Beginn des Schelmenromans mehrfach übertölpeln, bevor er die Gelegenheiten beim Schopf packt. Behände wechselt er den Tonfall, wandelt sich vom eisigen Ehemann und brutalen Stiefvater zum trauernden Vater. Die Herausforderung, das alles in getragenem Tempo zu spielen, nahm der agile Komödiant beherzt an.
In Walter Hills existenzialistischem Actionthriller »Driver« vollzog er 1978 eine weitere vielversprechende Suchbewegung, als einsilbiger Profi (den ersten Dialogsatz spricht er nach 15 Minuten), der Fluchtautos fährt wie kein Zweiter und noch in aussichtslosen Situationen einen kühlen Kopf behält. In »Was, du willst nicht?«, der zumindest kommerziell erfolgreichen Wiederbegegnung mit Streisand, spielte er 1979 einen Berufsboxer. Es war gar nicht so abwegig, dass die Produzenten ihn mal für »Rocky« und »Rambo« im Auge hatten.
Aber nach nicht einmal einem Jahrzehnt begann für O'Neal ein quälend langes Danach. Im Gegensatz zu Beatty, Redford oder Eastwood war es ihm nicht gelungen, einen Mythos zu begründen. Vielleicht war auch sein verheerendes Privatleben schuld, das geprägt war von Scheidungen, Affären, Drogenkonsum und Zerwürfnissen mit seinen Kindern. Im Nachhinein liest sich »Love Story« wie ein Schlüsselfilm; den Krebstod seiner Lebensgefährtin Farrah Fawcett hat er nie verwunden. Er blieb nach wie vor viel beschäftigt, zumal beim Fernsehen. Aber er regte die Fantasie der Filmemacher nicht nachhaltig an. Es gab ausgeschlagene, glorreiche Chancen: Er war zeitweilig im Gespräch für die Hauptrollen in »Die Ehre der Prizzis«, »Jenseits von Afrika«, »Bodyguard« und hätte bestimmt gut gepasst für die Rolle des Kopfgeldjägers in »Midnight Run – Fünf Tage bis Mitternacht«. So blieb dem Publikum keine Wahl, als ihm zuzuschauen, wie er vor der Kamera anmutig älter wurde, aber nie wirklich reifer.
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