Nachruf: Peter Simonischek
Peter Simonischek und Sandra Hüller in »Toni Erdmann« (2016). © NFP
6.8.1946 – 29.5.2023
Burgschauspieler. Das ist in der Welt des Theaters ein Adelsprädikat. Ähnlich wie in der Welt des Films der Oscargewinner. Für den Oscar war Peter Simonischek auch nominiert, für seine Darstellung des etwas linkischen Musiklehrers Winfried Conradi, in »Toni Erdmann«, der versucht, das Verhältnis zu seiner extrem karriereorientierten Tochter Ines, gespielt von Sandra Hüller, zu kitten. Immerhin wurde er dafür als bester europäischer Darsteller ausgezeichnet. In der Tat hat Simonischek Maßstäbe gesetzt. Im Film, in zahlreichen Fernsehfilmen, als Interpret von Hörbüchern und Hörspielen, vor allem aber auf der Bühne.
Der gut aussehende große Mann war spezialisiert auf große Auftritte und zweifelhafte Charaktere. Selbst TV-Schmonzetten wie »Das Sacher« wertete er durch seine Präsenz auf und sorgte für überraschende, wienerisch vergiftete Unterhaltung. In dem Fernsehfilm »Der Kaktus« (2013) verkörperte er hinreißend einen unwiderstehlich liebenswürdigen Hochstapler, der seine Mitmenschen nach Strich und Faden ausnimmt. Er glänzte in bissigen Gesellschaftskomödien wie »Liebesjahre«, von Matti Geschonneck und Magnus Vattrodt, wo er als Ex-Partner von Iris Berben mit seiner jüngeren neuen Frau auftaucht, um das ehemals gemeinsame Haus – und alle damit verbundenen Erinnerungen – auszuräumen. Er schlüpfte in seine Charaktere wie in eine zweite Haut.
Eine Legende bleibt Simonischek als Theaterschauspieler. Der 1946 in Graz geborene junge Mann sollte nach dem Willen seines Vaters eigentlich Zahnarzt werden. Heimlich begann er in seiner Heimatstadt ein Schauspielstudium und erhielt in Graz auch sein erstes Theaterengagement. Ab 1979 spielte er an der Schaubühne in Berlin und arbeitete dort mit Regiegrößen wie Luc Bondy und Peter Zadek zusammen. 1999 kehrte er zurück nach Wien und gehörte 20 Jahre lang zum Ensemble des Burgtheaters, seit 2019 war er dort Ehrenmitglied.
Seine Paraderolle jedoch war der »Jedermann« in Salzburg, den er acht Jahre lang, gut hundertmal spielte. Was das in Österreich bedeutet, können Deutsche nur schwer ermessen. In Österreich sei die Frage, wer im »Jedermann« wen spielt, »Gegenstand hitziger Erregung«, hat der deutsche Regisseur Andreas Ammer einmal gesagt. Der Intendant der Salzburger Festspiele, Markus Hinterhäuser, würdigte Simonischek denn auch als »einen der ganz großen Schauspieler«. Er sei »mit einer Überfülle an Qualität« gesegnet gewesen: »Er war das, was man im besten Sinne des Wortes einen Publikumsliebling nennt.«
Die Regisseurin Andrea Breth, die, wie sie selbst sagt, eine tiefe Arbeitsfreundschaft mit Simonischek verband, sagte im Deutschlandfunk Kultur, seine Qualität sei es gewesen, in die Tiefe zu gehen: »Auch in seinen komischen Rollen war er ein Tiefenforscher.« Simonischek habe sich »exzessiv« in seine Figuren hineingebohrt. Nie werde sie vergessen, wie er an der Schaubühne in dem Stück »Einsamer Weg« von Arthur Schnitzler den Professor Wegrat gespielt habe. Dieser Wegrat, der wisse, dass er seine Frau verlieren wird, sage einmal: »Die Luft ist so lind.« Peter Simonischek habe den Satz so gesprochen, »dass alles drin war: die Angst, die Trostlosigkeit.« Mit seiner Stimme, seinem Ausdruck, seinem Blick habe Simonischek alles in einem scheinbar banalen Satz untergebracht.
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