Nachruf: Herbert Achternbusch
Hubert Achternbusch
Autor, Regisseur, 23. 11. 1938 – 10. 1. 2022
Zuletzt war es ruhig um Achternbusch geworden. »Meine Zeit ist vorbei«, sagte er, »meine Zeit hat es nie gegeben. Was ich mache, interessiert keinen mehr wirklich.« Die Zeit des Provokateurs Achternbusch, der mit seinen Filmen vor allem die CSU, die Kirche und das Land Bayern beleidigte, ist längst vorbei. Aber die Qualität seiner Werke hat Zukunft. Achternbusch und Fassbinder waren die Hauptvertreter einer bayerischen Avantgarde der sechziger und achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts, durch die Goethe-Institute über Bayern und Deutschland hinaus bekannt geworden.
Als Maler war Achternbusch jenseits aller Moden ein eigenständiger Künstler. Er ging expressiv mit den Farben um, mischte Abstraktion und Gegenständlichkeit. In dem Gemälde »Kosmos« aus dem Jahr 2008 sitzt mitten in grau-blauen Farbflächen eine einsame Figur, das Gemälde ist Tibet gewidmet.
Seine Filme drehte Achternbusch zwischen 1974 und 2002, der erste war »Das Andechser Gefühl«, der letzte »Das Klatschen der Einhand«. Am bekanntesten wurde Das Gespenst aus dem Jahr 1983, der einen Skandal auslöste. Die von Achternbusch gespielte Christusfigur steigt vom Kreuz herab und zieht durch die Welt, ein erneuertes Christentum fordernd. Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann (CSU), damals für Filmförderung zuständig, wollte die letzte Rate für den Film nicht auszahlen. Die juristischen Auseinandersetzungen bis 1992 gewann aber Achternbusch.
Verunsichert und begeistert hat Achternbusch das Publikum vor allem dadurch, dass er nicht zwischen Komik und Klamauk und Schmerz und Verzweiflung trennt. Aber gerade dadurch konnte er den Panzer der Gleichgültigkeit durchstoßen. In Hades (1994) spielt Achternbusch den Besitzer eines bizarren Münchner Beerdigungsunternehmens, der als kleiner Junge aus einem polnischen Ghetto gerettet wurde. 50 Jahre später wird er in München von Neonazis erschlagen – Kasperltheater und Apokalypse in einem Film.
In seinem Meisterwerk »Das letzte Loch« (1981) hat Achternbusch den unglaublichen Einfall, die Hauptfigur Nil (Nihil, nichts), von ihm selbst gespielt, für jeden der sechs Millionen ermordeten Juden ein Glas Schnaps trinken zu lassen. Aber auch diese Therapie hilft nicht. Am Ende stürzt Nil sich in den Ätna. »Ich begehe Selbstmord, denn als Selbstmörder gehöre ich zum Totenberg der Opfer.« Zum Totenberg der selbstgerechten Deutschen will er nicht gehören.
Im Fragebogen der FAZ nannte Achternbusch Hölderlin seinen Lieblingslyriker, verpasste ihm aber den Vornamen Karl als Hommage an Karl Valentin und dessen bitteren Humor.
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