Internationales Frauenfilmfestival Dortmund/Köln

Neue Männerbilder
»Clara Sola« (2021)

»Clara Sola« (2021)

Empowerment und Diversität sind traditionell Schwerpunkte beim Internationalen Frauenfilmfest Dortmund/Köln. In diesem Jahr aber überraschte das Festival vor allem mit einer neuen Darstellung von Maskulinität

Es sagt viel über die hiesige Rezeption afrikanischer Filme aus – noch dazu von einer und über eine Frau –, wenn ein simbabwisches, im Ausland durchaus beachtetes Werk erst mehr als 15 Jahre später in Deutschland Premiere feiert. Das ist umso erstaunlicher, als es von Tsitsi Dangarembga stammt, jener Filmemacherin und Autorin, die im vergangenen Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt. Beim Internationalen Frauenfilmfest Dortmund/Köln, dessen physischer Schwerpunkt in diesem Jahr in Köln lag, stellte die 63-Jährige »Kare Kare Zvako – Mothers’s Day« im Fokus »The Connection II: Filme, die heilen« vor. 

Der 30-minütige Kurzfilm basiert auf einem Märchen des Volkes der Shona. Es geht um eine Mutter, die von ihrem Ehemann getötet und dann verspeist wird. Doch die junge Frau widersetzt sich auf eine zunächst verwirrende Weise der Kannibalisierung, emanzipiert sich von dem Mann. Für westliche Sehgewohnheiten ungewöhnlich inszeniert Dangarembga diese Geschichte nahezu als Splatter-Musical und transformiert universelle Themen in eindrückliche, verstörende Bilder:  der missbrauchte weibliche Körper, Mutterschaft, die Machtverhältnisse der Geschlechter. Es sind Themen, die Dangarembga bis heute beschäftigen. Es geht ihr um eine gleichberechtigte, inklusive Gesellschaft, unabhängig von Religion, Herkunft und Geschlecht. 

Wohl keine andere Sektion spiegelt dies neben den gesetzten Queer-Filmen so vielfältig wider wie der Debüt-Spielfilmwettbewerb. Und wieder lag der Schwerpunkt auf Empowerment, auf Protagonistinnen, die an einem Scheidepunkt stehen und entscheiden müssen, welchen Weg ihr Leben nimmt.Da ist zum Beispiel die 40-jährige geistig eingeschränkte Clara, die in einem abgelegenen Teil Costa Ricas von ihrer frommen Mutter als eine sehende Heilige benutzt und bevormundet wird. Als ihre 14-jährige Nichte die ersten sexuellen Erfahrungen macht, erwacht auch Claras Verlangen, und sie begibt sich auf eine befreiende Reise, die Nathalie Álvarez Mesén in »Clara Sola« voller Zärtlichkeit in einem ungewöhnlichen Austausch mit der Natur inszeniert. Oder da ist Irina in »Blue Moon« (Rumänien), die aus dem Familienhotel und damit aus den patriarchalen Strukturen entkommen will. Physisch gelingt ihr das nicht, und doch ermächtigt sie sich vom Opfer zur Täterin. In »Freda« aus Haiti kämpft eine junge Studentin um ihre intellektuelle wie gesellschaftliche Freiheit, stellt sich ihrer Verantwortung als Tochter und als Bürgerin eines gebeutelten Landes. 

Es sind häufig von Frauen getragene Mikrokosmen, in denen Männer nicht mehr die destruktiven, gewalttätigen Unterdrücker sind, sondern sensibel, einfühlsam, manchmal auch in sich gefangen, von den Verhältnissen überfordert wie in »Kelti« von Milica Tomović. Marijana hält die Familie im unter Sanktionen und Inflation leidenden Belgrad von 1993 zusammen, ihr Mann hebt einzig den liebevollen Blick, wenn er sich um die kleine Tochter kümmern kann, und leidet still, wenn Marijana masturbiert, weil er schon lange nicht mehr im Bett funktioniert. 

Auffallend sind hingegen die eher belanglosen und trotz Wackelkamera konventionellen Filme aus der westlichen Welt. Die grandiose französische Schauspielerin Noémie Merlant feiert sich in »Mi iubita, mon amour« als sanfte Braut, die kurz vor ihrer Hochzeit einen jungen Roma aus prekären, ja lebensbedrohlichen Verhältnissen verführt. Die asiatisch-amerikanische Regisseurin Kit Zauhar übernimmt in ihrem Regiedebüt Actual People ebenfalls die Hauptrolle, und zwar die einer Collegestudentin, die in der letzten Woche vor dem Abschluss komplett die Orientierung in ihrem Leben verliert.

Am Ende sprachen die drei Jurorinnen »Freda« von Gessica Généus den Hauptpreis zu. Ein gutes Zeichen für die Rezeption von Filmen über und von Frauen in von Männern und Kolonisation beschädigten Gesellschaften.
 

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