Interview mit Mahershala Ali über seine Rolle in »Green Book«
Mahershala Ali als Cornell Cottonmouth in »Marvel's Luke Cage« (2016)
epd Film: Sie stammen aus Kalifornien und sind zu jung, um die institutionalisierte Rassentrennung noch selbst erlebt zu haben. Welchen Bezug haben Sie zu dieser Zeit, um die es in »Green Book« geht?
Mahershala Ali: Mein inzwischen verstorbener Großvater besuchte die Crockett Colored High School in Texas. Er war 42, als ich geboren wurde, sprich: Jemand, der gut mein Vater hätte sein können, ging noch auf eine Schule für Schwarze ...
Seither hat sich vieles getan in der amerikanischen Gesellschaft ...
Ja und nein. Martin Luther King und die Bürgerrechtsbewegung haben vieles erreicht, wovon auch ich profitiert habe. Gleichzeitig sind auch heute noch unglaublich viele Städte und Gemeinden letztlich segregiert. Und es gibt immer noch erschreckend viele Gesetze und Handhabungen, die dafür sorgen, dass Afroamerikaner in der Regel benachteiligt werden, was Fortschritt und wirtschaftliches Wachstum angeht.
Sie spielen in »Green Book« den Musiker Don Shirley. Was wussten Sie über diesen ungewöhnlichen, faszinierenden Mann?
Praktisch nichts. Und es war auch nicht so, dass ich zur Vorbereitung stapelweise Bücher über ihn lesen konnte. Bislang wurde nämlich noch keines über ihn geschrieben.
Dass Shirley schwul war, spielt im Film eine eher untergeordnete Rolle ...
Natürlich war seine sexuelle Orientierung nur eine Seite dieses Mannes. Aber sicherlich eine nicht unerhebliche. Dass er schwul war zu einer Zeit, als das noch größtenteils illegal war, hat mit Sicherheit zu seiner Isolation beigetragen. Er konnte ja auch als Musiker nicht so richtig das ausleben, was er gern gemacht hätte. Viel mehr als den Jazz, den er spielte, liebte er eigentlich die Klassik, doch das war Musik, die weißen Künstlern und einem weißen Publikum vorbehalten war. Und seine Bildung und Intelligenz, die wirklich außergewöhnlich waren, trugen ebenfalls dazu bei, dass er wenig Menschen auf Augenhöhe um sich herum hatte. Ich vermute, dass er sich immer fehl am Platz gefühlt hat, in jeder Hinsicht.
Oft war er es ja auch tatsächlich!
Als Junge, als schwarzer, jamaikanisch-amerikanischer Junge wohlgemerkt, ging er nach Russland, um am Konservatorium zu studieren. Später lebte er lange in London, bevor er nach New York zog. Fast alles an seinem Lebenslauf war ungewöhnlich, und irgendwie hat er nie wirklich eine Community gefunden, zu der er gehört.
Wussten Sie selbst immer, wo Sie hingehören?
Nicht auf Anhieb. Ich kenne das Gefühl, nirgends hinzupassen und nach seinem Platz im Leben suchen zu müssen. Ich bin selbst ein durchaus einzelgängerischer, zurückgezogener Typ, der auch ganz gut funktioniert, ohne eine Community um sich zu haben. Gleichzeitig bin ich dankbar dafür, dass meine Frau und meine Familie da ein wenig gegenhalten.
Wie gehen Sie persönlich damit um, wenn Sie etwa Rassismus erleben?
Puh . . . Es ist nie leicht, die Ruhe zu bewahren, wenn man mit dem N-Wort beschimpft oder etwa grundlos von der Polizei angehalten und befragt wird. Seit ich eine gewisse Bekanntheit erreicht habe, passiert mir das natürlich seltener, aber ich habe oft genug sehr viel Unschönes im Zusammenhang mit meiner Hautfarbe erlebt – und das vergisst man nicht. Aber als Afroamerikaner lernt man zwangsläufig früh, dass man sich zurücknehmen muss, wenn man mit dem Leben davonkommen will. Das ist ein Wissen, das von Generation zu Generation weitergegeben wird, seit
wir in dieses Land gebracht wurden.
Hat der Gewinn des Oscars für »Moonlight« Ihr Leben verändert?
Der Preis hat ohne Frage ein paar neue Türen für mich geöffnet. Ich bekomme ganz andere Angebote als früher, auch für Hauptrollen, und viel mehr, als ich überhaupt annehmen kann. Aber mein Leben an sich ist natürlich das gleiche geblieben. Beziehungsweise auch nicht, denn ungefähr zur gleichen Zeit wurde ich ja auch Vater, was ohne Frage ein größerer Einschnitt war als der Oscar.
Stichwort »True Detective«: Mussten Sie lange überlegen, ob Sie das machen wollen? Nicht nur, weil eine Serie immer eine ziemlich große zeitliche Verpflichtung ist, sondern auch weil die zweite Staffel alles andere als gut ankam?
Letzteres war für mich eigentlich fast ein Pluspunkt. Die erste Staffel war wirklich fantastisch, weswegen ich davon überzeugt war, dass dies genau die richtige Serie für mich wäre. Die schlechten Kritiken für die zweite Staffel hatten dann zur Folge, dass der Druck nicht so groß war, weil die meisten die Serie schon abgeschrieben hatten. So konnten wir nun etwas umsetzen, was die Zuschauer aufs Neue überraschen wird.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns