Erinnerungen an Hans Günther Pflaum
Der Filmkritiker starb am 19.12.2018
Ende der 1960er Jahre lernten wir uns bei einer Vorführung von Jean-Marie Straubs »Nicht versöhnt« in einem kleinen Filmclub in München-Neuhausen kennen, Günther Pflaum machte da das Programm. Wir kamen schnell ins Gespräch, merkten, dass wir nur wenige Minuten von einander entfernt wohnten. Das Haus, in dem er lebte, hatte einen großen Garten, so trafen wir uns meistens dort, diskutierten über Filme und spielten Tischtennis. So entstand unsere Freundschaft. Ich lebte zwar ab den siebziger Jahren nicht mehr in München, kam aber öfter zu Besuch. Wir sahen uns bei Festivals, in Berlin oder Locarno. Ich war sehr traurig, als ich von seinem Tod erfuhr.
Günther, geboren 1941, wurde in den siebziger Jahren Filmkritiker bei der »Süddeutschen Zeitung«, ich war Redaktionsassistent bei der »Filmkritik«. Für Filmenthusiasten, die nicht auf Mainstream fixiert waren, war das eine spannende, ja großartige Zeit. Die Nachkriegsgeneration meldete sich, in der Bundesrepublik so unterschiedliche Talente wie Kluge und Fassbinder, Schlöndorff, Wenders oder Achternbusch, aus Frankreich Godard, Truffaut und Malle, aus Italien Fellini, aus den USA das New American Cinema, und auch japanische Filme von Kurosawa und Ozu konnte man nun im Kino sehen. Diese neue Film-Generation war ästhetisch revolutionär und politisch hellwach.
Günther zog daraus seine Schlüsse. Es reicht nicht, diese neuen Filme gut und angemessen zu besprechen, man muss sich auch dafür einsetzen, dass sie weiter entstehen können und ihr Publikum finden. Er hat in der Projekt-Kommission der Filmförderungsanstalt mitgearbeitet. In verschiedenen Medien (Büchern, Dokumentationen, Filmen) engagierte er sich für den jungen deutschen Film. Besonders verbunden war er mit Fassbinder, 1976 erschien das von ihnen gemeinsam verfasste Buch »Das bisschen Realität, das ich brauche«.Günther hat die Dreharbeiten zu drei Filmen mitgemacht, »Satansbraten«, »Chinesisches Roulette« und »Ich will doch nur, dass ihr mich liebt«. Genauer sind die Dreharbeiten Fassbinders wohl nie beschrieben worden, vor allem auch der Spaß, was man kaum glauben möchte, den Fassbinder da bei hatte.
»Ich will nicht nur, dass ihr mich liebt«, Günthers Film über Fassbinder, kam 1992 zum 10. Todestag des Regisseurs heraus. Neben seinen eigenen Erfahrungen mit Fassbinder erzählen prominente Kollegen Fassbinders wie Karlheinz Böhm, Hanna Schygulla, Peter Zadek oder Volker Schlöndorff von ihren Begegnungen mit ihm.
In den siebziger und achtziger Jahren hat Günther die Filmpublizistik in der Bundesrepublik mitgestaltet. Er gab für Hanser das Jahrbuch Film heraus, mit Berichten, Kritiken und Daten, so der Untertitel, aktuell im Erscheinungsjahr, später, auch heute, ein wichtiges Nachschlagewerk über diese Blütezeit des deutschen Autorenfilms. Die Texte stammten von jungen, neuen aber auch von bekannten Autoren. Als Hanser das Jahrbuch einstellte, erarbeiteten Hans Helmut Prinzler und Günther das Handbuch »Film in der Bundesrepublik Deutschland«, das bis 1992 in mehreren Auflagen erschien. Seit 1984 hat er auch für epd Film geschrieben.
Günthers genaue Kenntnisse über den bundesdeutschen Film führten ihn zum Goethe-Institut. Er hat viele Reisen gemacht, hat in vielen Ländern deutsche Filme vorgestellt und mit dem Publikum diskutiert. Durch seine Erfahrungen mit Filmenthusiasten etwa in Afrika oder Lateinamerika, war er prädestiniert, den Filmkatalog für Goethe mit zu erarbeiten. Der deutsche Film verdankt viel der kenntnisreichen Filmbegeisterung von Hans Günther Pflaum.
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