Sensibler Kraftkerl – Zum Tod von Götz George
Götz George. © WDR/Stefan Falke
Götz George hat sie alle gespielt: den »Tatort«-Ermittler Schimanski, den Reporter in »Schtonk«, den Massenmörder. Sein legendäres »Scheiße!« als Ruhrpott-Bulle war ein Fanal gegen die erstarrte Welt der Biedermänner-Väter.
Götz George war einer jener Schauspieler, dessen Spiel und dessen Rollen Jahrzehnte und Generationen verbunden haben. Er spielte die fabelhaften Helden, die traurigen Ritter, die Narren, die Monster und die Menschen aus Fleisch und Blut. Am 19. Juni ist er mit 77 Jahren gestorben – nach kurzer, schwerer Krankheit, wie es heißt.
Geboren wurde Götz George 1938 in Berlin. Der Vater: Heinrich George, zu NS-Zeiten ein Schauspielstar, gestorben 1946 mit 52 Jahren im sowjetischen Speziallager Sachsenhausen. Als zwölfjähriger Junge steht der Sohn das erste Mal auf der Bühne und fragt anschließend: »War ich so gut wie Vater?« Auch seine Mutter Berta Drews war eine bekannte Schauspielerin.
Im Film der 50er Jahre ist Götz George dann ein unbekümmerter Bursche, in den 60er Jahren der Heißsporn, der tollkühn in »Winnetou«-Filmen agiert. Aber auch schon damals kann er feinsinniger sein, wenn man ihm es abverlangt. Wolfgang Staudte besetzt ihn 1960 in dem Film »Kirmes«, in dem er einen Deserteur spielt.
Als die Jungfilmer 1962 verkünden, dass »Papas Kino tot« sei, beerdigen sie einen Star wie Götz George gleich mit. Zu professionell, zu viel Held, zu viel ungebrochene Männlichkeit. Und für George sind die Jungen, die meistens älter sind als er, Dilettanten, die erst mal das Handwerk lernen müssen. Da ist der Draufgänger ganz Preuße und Pflichtmensch. Sein Spiel wird frei, wenn er den Katalog der Pflichten abgearbeitet hat. Er ist unzeitgemäß, weshalb er im Kino der 60er Jahre zumeist nur im Genrefilm zum Zuge kommt.
In den 70er Jahren sieht man ihn verstärkt im Fernsehen, häufig auch in Nebenrollen, wo er vom Rand aus alle an die Wand spielt. Man ahnt, der Typ ist noch lange nicht satt. Dass er eine beängstigende Fühllosigkeit spielen kann, zeigt er in Theodor Kotullas »Aus einem deutschen Leben« (1977): Den KZ-Kommandanten Rudolf Höß arbeitet er als emotionslosen Funktionsmenschen heraus.
Nicht zuletzt diese Rolle ist einigen Cineasten und Filmhochschulabsolventen wie Hajo Gies und anderen in bleibender Erinnerung. Als sie bei der Bavaria einen Nachfolger für den altersmüden »Tatort«-Kommissar Haferkamp (Hansjörg Felmy) suchen, erinnern sie sich an diesen sensiblen Kraftkerl George, der eine Pranke hat, aber eben auch ein verwundbares Gemüt. Horst Schimanski ist gefunden, und er prägt ein Jahrzehnt das deutsche Fernsehen wie kein anderer. Der Melancholie der 70er Jahre gibt dieser proletarische Ermittler eins auf die Fresse.
George bringt die physische Präsenz zurück auf den Bildschirm, und für viele angehende Schauspielschüler und werdende Regisseure ist dieser tapsige Bulle ein Vorbild. Es kann cool sein, deutsches Fernsehen zu schauen, wenn Schimmi Bier schlürft, schöne Frauen an die breite Brust zieht, den Sesselfurzern eine lange Nase dreht und den Alltag zum Abenteuer veredelt. Sein legendäres »Scheiße!« war ein Fanal gegen die erstarrte Welt der Biedermänner-Väter.
Doch Anfang der 90er Jahre hatte George von dieser Figur die Nase voll, und auch die Zeitläufte suchten nach anderen Helden. Nach der Wiedervereinigung gelingen Götz George einige bemerkenswerte, im Gedächtnis bleibende Fernsehrollen. Der Fünfteiler »Schulz und Schulz« etwa arbeitet deutsch-deutsche Befindlichkeiten komisch-tragisch auf.
Aber es sind vor allem die großen Rollen in »Schtonk« (1992), »Der Totmacher« (1995) und »Rossini« (1997), die alles überstrahlen. Die grandiose, zu Herzen gehende Erbärmlichkeit des glücklosen Reporters Hermann Willié in »Schtonk« gehört zu Georges Meisterleistungen, ebenso seine Rolle als Massenmörder Fritz Haarmann.
Still und klein wurde Götz George seither nicht. Er blieb präsent in immer neuen Rollen und Gestalten. Und er wirkte auch im höheren Alter immer noch spieldurstig, jung, neugierig, wach. Er blieb – in einer Figur – das Kind, der Kerl und der Kamerad des deutschen Films.
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