Interview mit Pierre Bismuth über »Wo ist Rocky II«
Monsieur Bismuth, Ihre Geschichte beginnt im Film damit, dass Sie eine Dokumentation der BBC über Ed Ruschas »Rocky«-Projekt sehen. Das war ein totaler Zufall?
In der Tat. Ein Freund hatte mir drei Aufzeichnungen mit Programmen über Künstler gegeben. Das war eine davon. Als ich nach dem Ansehen darüber nachdachte, wunderte ich mich, dass ich davon noch nie etwas gehört hatte.
Es musste doch viele Menschen gegeben haben, die diese Sendung damals bei ihrer Ausstrahlung gesehen haben…
Eigentlich schon. Eine der Produzentinnen des Films erklärte mir später, dass sie damals viele solcher Programme machten – da muss dieses wohl irgendwie untergegangen sein.
Wie sehr hat der Film beim Drehen eine Eigendynamik entwickelt, wie weit war Ihnen klar, was am Ende stehen würde?
Als ich anfing, dachte ich, es wird ein reiner Dokumentarfilm. Das Skript bestand wesentlich aus der Struktur: dass ich einen Detektiv engagiere, der sich auf die Spuren des Werkes begibt. Der Ausgangspunkt lag im Jahr 2009, als ich mich entschied, Ruscha zu interviewen anlässlich der Pressekonferenz, die er in London zu seiner Ausstellung gab. Ich brauchte seine Bestätigung, dass die Geschichte stimmt, sonst würde mir niemand Glauben schenken.
Ursprünglich dachte ich, ich würde selber nach Los Angeles gehen, um da nach Rocky II zu suchen, aber dann wurde mir klar, dass ich nichts über die Wüste wusste. Wer also konnte mir helfen? In L.A. sind Privatdetektive ganz alltäglich, einen von ihnen zu engagieren, kam mir sinnvoll vor. Das eine kam zu anderen: zum einen ging es um die Frage, wo ist der Stein, zum anderen darum, warum verbirgt ein Künstler ein Kunstobjekt? Diese zweite Frage konnte der Detektiv nicht beantworten, dazu benötigte ich einen anderen Protagonisten. Dafür schien mir ein Drehbuchautor ideal zu sein.
Wie fiel Ihre Wahl gerade auf diese beiden Drehbuchautoren?
Dem Sundance Institute gefiel dieses Projekt, sie schlugen den einen Autor vor.
Fiel die Zusammenarbeit den beiden Autoren schwer?
Nein, das ist in Hollywood üblich. Sie sind so professionell, dass sie auch mit anderen Autoren arbeiten könnten, die sie nicht mögen.
Mit Mike White kommt dann sogar noch ein dritter Autor hinzu…
Sein Name fiel früh, aber ihm fehlte die Zeit, mit uns über einen längeren Zeitraum zu arbeiten. Aber für die zwei Tage, die wir ihn schließlich einbauten, konnte er kommen.
Das war es wert. Sprechen die Drehbuchautoren von Ihnen vorgegebene Sätze oder sind ihre Gespräche streng dokumentarisch?
Nein, da war nichts vorgegeben. Meine Methode der Inszenierung war generell die, dass ich niemandem etwas gesagt habe, übrigens auch der Crew nicht. Die Autoren hatten also gar keine Zeit, sich auf die Situationen vorzubereiten. Der Schnitt ist es, der ihre Gespräche so verdichtet, dass sie den Eindruck erwecken können, der Zuschauer sehe Spielszenen zu.
Haben Sie Sich eigentlich je gefragt, »was mache ich, wenn ich Rocky II finde?«
Das hatte ich die ganze Zeit im Kopf – ich glaube, ich wollte ihn nicht finden. Deshalb ist auch das Ende des Films offen.
Haben Sie nicht die Befürchtung, dass, wenn der Film in den USA gezeigt wird, sich Leute aufmachen, um ihn zu finden? Oder, dass zumindest Journalisten Ed Ruscha bedrängen werden, etwas preiszugeben?
Das ist in der Tat seine Befürchtung, er hat den Film erst kürzlich gesehen und mochte ihn. Wir hatten keinen Kontakt mehr seit der Pressekonferenz 2009.
Sehen Sie eine Verbindung zwischen Ihrer eigenen Arbeit als bildender Künstler und der von Ed Ruscha? Und wie verhält sich das zu der Differenz in Bezug auf die Sichtbarmachung der Werke? Da gibt es ja offensichtlich konträre Auffassungen.
Viele von Ruschas Arbeiten beziehen sich auf Hollywood, insofern wusste ich um das Spiel, das er spielt (das man auch schon aus dem Titel »Rocky« ersehen kann). Ich gebe dem Zuschauer also etwas zurück.
Es gibt hier beim Festival von Locarno eine ganze Reihe von Filmen, mit denen bildende Künstler ihre Regiedebüts abliefern, auf der anderen Seite finden filmische Arbeiten heute in Galerien ein neues Zuhause.
Ich gehöre zu einer Generation von Künstlern, in deren Arbeiten es zahlreiche Verweise auf das Kino gibt. Ich selber hatte kein Interesse am Filmemachen, gerade weil ich in meinen Arbeiten so häufig Film miteinbeziehe. Ich benutze Film für etwas anderes, einfach weil das ein Medium ist, dass die Aufmerksamkeit der Menschen erregt. Das mache ich mir zunutze. Erst durch den Oscar für das beste Drehbuch, den Michel Gondry, Charlie Kaufman und ich 2005 für »Vergiss mein nicht« erhielten, begann ich umzudenken.
Gab es denn nach dieser Auszeichnung für Sie Angebote aus Hollywood?
Nein, ich war da ja ein Fremder, sie kannten meine Arbeit nicht.
Michel Gondry allerdings drehte mit »Green Hornet« einen Superheldenfilm für ein Major Studio – der für mich allerdings nicht dieselben Qualitäten hatte wie sein erster amerikanischer Film, »Be Kind, Rewind«.
Der wurde übrigens inspiriert von einer meiner Arbeiten, die ich 1992 machte: dabei wurde Godards »Pierrot le Fou« von einer Videocassette abgespielt, während ein Magnet das Band im selben Augenblick löschte. Michel war schon lange ein großer Fan meiner Arbeiten und wir haben jahrelang Ideen ausgetauscht.
Werden Sie dem Genre treu bleiben?
Ich möchte gerne weiterentwickeln, was wir als »Fake Fiction« bezeichnen, also nicht geschriebenes Material so zu behandeln, als sei es Fiktion.
Den Film im Film haben Sie erst nach Abschluss der Dreharbeiten des dokumentarischen Materials inszeniert. War das eine finanzielle Frage?
Die Mischung von Fakt und Fiktion hatte ich von Anfang an im Kopf, ursprünglich sollten beide Anteile etwa gleich groß sein und in einem bestimmten Rhythmus miteinander verwoben werden Aber die fiktiven Szenen waren ungleich teurer. So gab es schließlich nur Momente aus der Fiktion zu sehen, die die Autoren entwickelten.
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