Kann komisch. Ist es aber nicht
22.09.2014
Slacker sind Typen, die eigentlich keine große Lust haben, sich anzustrengen und in dem grotesken Wettbewerb um Leistung, Erfolg und Beliebtheit mitzumachen. Ihre Lieblingsbeschäftigung ist das Herumhängen; neben einem anständigen Joint sind Comics und Musik ihre Bezugspunkte. Ihre scheinbare Faulheit ist aber nicht nur Verweigerung, sondern auch Widerstand. Die Generation X, die den Slacker als Typus forciert hat, war der Überzeugung, dass die großen Schlachten alle geschlagen wären und es weder einen neuen Che Guevara noch die neuen Beatles geben würde. Worum es geht, ist dennoch, sich nicht vereinnahmen zu lassen, in der Distanz die eigene Würde zu bewahren, eigene Codes zu entwickeln. Richard Linklater hat diesem Typus in seinen Filmen Reverenz erwiesen (manche sagen auch, er habe ihn erfunden), und setzte Ben Affleck in der Highschool-Paranoia-Komödie mit dem bezeichnenden Titel Dazed and Confused (1993) ein: als fiese Schulhof-Nemesis für die Helden auf dem Weg zum Erwachsenwerden. In Kevin Smiths Mall Rats (1995) ist Affleck wieder der Rivale des Helden, den man bekämpfen muss – was man schon an seinem schrecklichen Kinnbart sieht.
Die Geburt der Figur Ben Affleck aus der Kultur der Slacker steht im Zeichen des Widerspruchs. Er ist der Slacker, der keiner sein will. Aber zurück ins heroische Fach kann er ebenso wenig wie nach vorn zum Mittelstandsneurotiker. Affleck kann das Komische, aber er ist nicht komisch.
»Dazed and Confused« (1993)
© MFA
Rollen und Leben entsprechen sich da durchaus. Affleck gehört selbst zur Generation X. Klassisches Scheidungskind der oberen Mittelschicht wie sein Kumpel und entfernter Cousin Matt Damon, mit dem er seit den Jugendjahren befreundet ist, träumte er eher von einer großen Hollywood-Karriere als sie zu forcieren. Damon, Ben und sein Bruder Casey Affleck – mit dem Matt Damon schon gemeinsam in Kinderrollen und Werbespots aufgetreten war – lebten zusammen in Los Angeles und warteten auf die großen Gelegenheiten. Ben Affleck brachte es zunächst zu nicht viel mehr als Komparsenjobs und bit parts in großen Produktionen wie Field of Dreams (1989). Er war gewiss der phlegmatischste von den dreien, was aber nicht viel heißt, wenn man das Energiebündel Damon und die paranoisch infizierte Unruhe von Casey Affleck bedenkt. Regisseur Kevin Smith, so scheint es, musste seinen Freund Ben immer ein wenig antreiben. In Chasing Amy kann man, wenn man genau hinschaut, einem Schauspieler beim »Aufwachen« zusehen. Und Kevin Smith war es auch, der Matt Damon und Ben Affleck bei ihrem Nebenprojekt ermunterte, dem Drehbuch zu einem Film mit dem Titel Good Will Hunting (1997).
Das Coming-of-Age-Drama mit autobiografischer Grundierung wurde schließlich von Gus van Sant, noch so ein Generation-X-Vertreter, grandios verfilmt. Natürlich spielte Matt Damon die Hauptrolle und war fortan ein Star. Ben Affleck blieb die Rolle des guten Kumpels, den der überbegabte Held höchst ungern hinter sich lässt, ein »Hilfsarbeiter« ohne große Ambitionen. Auch ihm standen jetzt Türen in Hollywood offen. Aber es waren immer noch die kleineren Türen. Während sich Matt Damon durch seine geschickte Rollenwahl rasch etablierte, nahm Ben Affleck, wie es scheint, alles an, was man ihm bot. In den großen Blockbustern von Michael Bay, Armageddon (1998) und Pearl Harbor (2001) oder in der romantischen Komödie Auf die stürmische Art (1999) wirkte er wie ein Serienschauspieler auf einer für ihn viel zu großen Leinwand. Einen Mangel an Charisma, an Aura warf man ihm vor, ganz zu schweigen von seinem schauspielerischen Repertoire.
»Armageddon« (1998)
© Disney
In den kleineren und intimeren Filmen kam er sehr viel besser zurecht. Und im Zusammenspiel mit Gwyneth Paltrow in Bounce (2000) nimmt man ihm auch Gefühle ab. Ben Affleck scheint für ein kleineres Format des Films geschaffen; seine Aura reicht für eine Riesenleinwand so wenig aus wie zur Konkurrenz mit Spezialeffekten, und zur großen, alles verbrennenden Liebesgeschichte reicht es vielleicht auch nicht. Können Sie sich vorstellen, über einen wie Ben Affleck zu heulen?
Doch, vielleicht gerade über das, was in ihm verschlossen bleiben muss. Das macht Daredevil (2003) zu einem nicht wirklich gelungenen, aber doch zu einem der interessanteren Superhelden-Filme – und durchaus neugierig auf Afflecks Rückkehr ins Genre beim Batman-Superman-Crossover. Alles, was diese Figur tut, muss sie gegen einen doppelten inneren Widerstand tun, gegen die biografische Lähmung (bei diesem Daredevil geht es um den Tod des geliebten Verlierer-Vaters, der überdies mit der eigenen Blindheit zusammenhängt) und gegen die soziale Maske. Und wieder glaubt man Ben Affleck die kleinen Gefühle und Konflikte und muss zugleich sehr zweifeln an allem, was seine Figur überlebensgroß machte.
Irgendwie gerät dieser Kerl immer ins Schlamassel, unter anderem, weil er so nett aussieht. Genau in solchen Filmen ist Affleck besonders gut, wie in Wild Christmas (Reindeer Games, 2000) als Autoknacker, der die falsche Identität seines Zellenkumpels angenommen hat, um an seine Brieffreundin zu kommen und an deren kriminellen Bruder gerät. In einem Interview beschreibt Affleck den Charakter seiner Rolle: Er findet, dass das ein Typ ist, der das Richtige tun will, aber einfach nicht genug Selbstdisziplin dafür hat. Hören wir da ein kleines Selbstporträt heraus? In den Höhen und Tiefen seiner Karriere jedenfalls hat Ben Affleck immer mal wieder den Boden unter den Füßen verloren. Aber wie bei seinem Typus in Wild Christmas reicht die mobilisierte Selbstdisziplin – etwa für einen drastischen Alkoholentzug – dann doch wieder aus, um einer Welt zu trotzen, die auch, was ihre Tücke anbelangt, eine Nummer zu groß erscheint.
Der Slow Burn ist in diesem Thriller, in dem keiner ist, was er am Anfang zu sein scheint, das Erzählprinzip schlechthin. Solche Filme, in denen ein eher gewöhnlicher Mensch in groteske Gefahren und sich fortzeugende Konflikte gerät, zeigen Ben Affleck auf der Höhe seiner Kunst. Dann muss er auch gar nicht der Sympathieträger sein; so wie in dem Duell mit Samuel L. Jackson in Spurwechsel (2002), wo Affleck in der Rolle des (vielleicht doch nicht so) smarten Rechtsanwalts ganz buchstäblich aus der Spur gerät. Und sein Jack Ryan in Der Anschlag (2002) ist so zurückgenommen wie die Rolle in seinem eigenen Film Argo, wo er die aberwitzige Mission der Geiselbefreiung im Rahmen einer fingierten Filmproduktion leitet. In allen diesen Filmen ist die Reduktion das primäre Stilprinzip. In Argo verschwindet Affleck beinahe hinter seinem Bart und scheint es darauf abgesehen zu haben, immer ein wenig in den dunkleren Teilen des Bildes zu bleiben. Was natürlich perfekt zur Rolle passt, aber möglicherweise auch ein Statement des Schauspielers ist.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns