„Ich wollte keine Interviews“
»Johannes Holzhausen« © RealFiction
Johannes Holzhausen über seinen Dokumentarfilm »Das große Museum«
Im Publikumsgespräch nach der Berlinale-Vorführung haben Sie erwähnt, dass Sie die Konkurrenz zwischen den einzelnen Sammlungen und Abteilungen des Museums nicht in den Film aufgenommen haben. War das der Preis dafür, überhaupt im Museum drehen zu dürfen?
Nein, das ist eher der Methode geschuldet, wenn man so einen Film macht. Grundsätzlich gab es keine Auflagen vom Museum. Ich habe natürlich immer gefragt, ob ich dabei sein konnte und dabei gab es schon Diskussionen, bei denen man mich nicht dabeihaben wollte. Aber prinzipiell hat das gut funktioniert. Es ist nur so, dass man immer etwas finden muss für die Themen, die einen interessieren. Das Museum als eine Verbindung von eher konkurrierenden Sammlungen war nur ein möglicher Aspekt. Und dann muss man darauf warten, dass sich daraus irgendwie eine konkrete Szene ergibt. Wenn das nicht passiert, ist das nicht möglich. Oft entstehen Sachen auch über Umwege. Die Szene mit der Mitarbeiterin, die sich beschwert, dass sie noch nie vorgestellt wurde, ist zufällig entstanden, weil ich eigentlich die Diskussion des Markenseminars weiter verfolgt habe. Ihr Statement kam auf dieser Veranstaltung.
Mir fällt im Augenblick kein anderer Dokumentarfilm ein, bei dem im Vorspann ein Drehbuch aufgeführt ist…
Das Drehbuch war ein Drehbuchkonzept. Wir hatten eine Phase der Recherche, vor der das Projekt sehr nebulös war. Da gab es nur meine Affinität zur Kunst durch mein Studium und meine Probleme mit dem Museum als Institution. Aber bei den Recherchen hat sich bald herauskristallisiert, dass wir das Museum - pathetisch formuliert - als „kaiserliche Wunde im Körper der Republik“ sehen, also die Reibung zwischen dem kaiserlichen Erbe (das die Sammlung nun einmal ist) und den repräsentativen Bedürfnissen einer kleinen Republik. Als mir dann von der Chefin der Gemäldegalerie erzählt wurde, dass es eine Restaurierung von Bildern der Präsidentschaftskanzlei gibt, sah ich darin eine Chance. Allein, das reichte mir noch nicht, das musste ich auch noch thematisieren. So habe ich dann das Gespräch der Kunsthistoriker untereinander organisiert, vor diesem Gemälde der Maria Theresia. Ich wollte keine Interviews, also musste ich solche Wege finden, wo eine Situation zustande kommt. Das war gar nicht so leicht, denn sie schimpfen zwar untereinander über diese Probleme, sind aber auch ein bisschen kleinmütig – da haben sie einen Rückzieher gemacht. Erst der emeritierte Kurator und der Deutsche von der Kunstvermittlung haben sich dann getraut zu reden, auch die Restauratoren, die sind nicht so in diesem System drinnen.
Und die eindrucksvolle Anfangsszene mit der Spitzhacke? Da wussten Sie, wann das stattfindet?
Schon bei der Recherche war klar, dass die geplante Wiedereröffnung der Kunstkammer als Roter Faden dienen könnte – ein dramaturgischer Bogen, der inhaltlich gar nicht mal so von Bedeutung ist, aber schon eine Zeitlichkeit hinein bringt, ein Ende ankündigt. Dieser Raum war noch nicht angetastet, es war auch der größte. Ich habe dann gesagt, „Wehe, wenn der Boden herausgenommen wird, und ich erfahre das nicht rechtzeitig!“ Das ist nämlich oft passiert, dass ich erst im Nachhinein informiert wurde. Die zuständige Ingenieurin hat mich dann ein paar Tage vorher angerufen, so waren wir dann um sechs Uhr vor Ort. Die Arbeiter würden das normalerweise in der Ecke anfangen, sie reißen den Boden nur auf, damit sie dann den Belag einzeln herausnehmen können. Ich habe gesagt, tut mir leid, aber in der Ecke, das bringt mir nichts. Es ist ihm schwergefallen, aber er hat es dann doch mir zuliebe gemacht und ist in die Mitte des Raumes gegangen. Aber danach hat er sofort damit aufgehört, ist in die Ecke gegangen und hat dort weiter gemacht.
Sie mussten schon permanent beim Museum nachfragen, wann etwas passiert, da wurde nicht ein Mitarbeiter abgestellt, um Sie auf dem Laufenden zu halten?
Nein, ich würde sagen, von meiner Energie gingen vielleicht 20% in den Dreh selber, 40% um die Dinge zu erfahren, die man wissen sollte - das war wirklich kompliziert, denn es gab nie einen offiziellen Draht, das bekam man oft nur informell mit, über den Innenhof, wo man eine Zigarette geraucht hat.
Gab es denn einmal einen offiziellen Termin mit der Direktorin, wo Sie ihren Mitarbeitern Sie und das Projekt vorgestellt hat?
Ja, den gab es, aber der Rest meiner Energie, 40%, ging dann drauf für diplomatische Arbeiten – bis zum letzten Drehtag musste ich immer noch Überzeugungsarbeit leisten und aufpassen, dass dieses eifersüchtige gegenseitige Beobachten der Sammlungen nicht auf mich übertragen wurde. Wenn ich zulange bei einer Sammlung drehte, wurden die anderen eifersüchtig…
Gab es auch Szenen, wo die Beteiligten hinterher Zweifel äußerten, das möchten sie lieber doch nicht drin haben im Film? Etwa der Finanzdirektor, der von der "aggressiven 3" spricht?
Ganz im Gegenteil: der sagte, „ich überlege mir sehr genau, wo ich Ihnen erlaube, dabei zu sein, aber wenn ich es Ihnen erlaube, dann mische ich mich hinterher auch nicht mehr ein.“ Daran hat er sich auch gehalten. Das hat bei ihm aber auch bedeutet, dass er das total gestaged hat. Er hat abgesprochen mit seinen Leuten: wir reden über das und nur über das – und wehe, einer von Euch macht sich lustig über einen Kunstdirektor, das darf alles nicht passieren. Der Herr Holzhausen will Zahlen hören und kein Wischiwaschi, das machen wir, aber über andere Dinge reden wir erst beim nächsten Mal.
Er hat den Film vorher gesehen?
Das stand laut Vertrag der Direktorin zu, ihn habe ich dann in einem Akt der Diplomatie dazu genommen. Vor der Berlinale-Premiere haben wir dann noch eine Vorführung gemacht für alle, die im Film vorkommen. Dabei wurde viel gelacht, manche waren betroffen, wie der Chef der Schatzkammer, der erst im Rahmen der Logo-Präsentation erfährt, dass sie jetzt ‚kaiserliche Schatzkammer’ heißt. Er war über seine Rolle nicht glücklich.
War der Film eigentlich schwer zu finanzieren – in Anbetracht des enormen Zeitaufwandes?
Vom Konzept her hat er immer überzeugt. Aber Dokumentarfilm gilt oft als aktualitätsbezogen, Museum ist nicht sehr sexy, da wird leicht gesagt: Museum, den können wir ja noch in zehn Jahren finanzieren, und in fünfzig Jahren steht der Kasten ja immer noch. Also warum sollen wir das gerade jetzt machen?
Der Film lief kürzlich beim London Film Festival...
Für England und Irland gibt es bereits seit der Berlinale einen Verleih, ebenso einen französischen, der allerdings noch zögert, weil Frederick Wiseman mit »National Gallery« ebenfalls einen Museumsfilm gemacht hat. In dem geht es aber mehr um Kunstvermittlung – bei mir hingegen kommt das Publikum ja nicht vor. Darüber hinaus gibt es Verleiher in Italien, Japan, der Schweiz und den USA. Auf dieser Ebene gab es vorher nur einen Film, den von Nicolas Philibert über den Louvre.
Gibt es schon ein nächstes Projekt?
Ja, in Rumänien. Ich habe gern nationale Symbole.
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