Barton Fink
Hollywood ist das moderne Babylon. Während Kenneth Angers Sittengeschichte Hollywood Babylon vorwiegend von erschütternden Bildern gefallener Filmgötter lebt, haben die Coens in ihrer Kritik an der Traumfabrik den Aspekt der babylonischen Sprachverwirrung aufgegriffen. Barton Fink, der Broadwayautor in ihrem gleichnamigen Film von 1991, ist noch nicht richtig angekommen in Hollywood, als er schon so ausgebrannt ist wie sein Vorbild, die an William Faulkner angelehnte Figur des trunksüchtigen Schriftstellers W. P. Mayhew. Dabei soll Barton doch nur das Skript für einen trivialen Catcherfilm liefern.
Diese Unmöglichkeit illustrieren die Coens mit ihrem Gespür für Paradoxien: Als ihm gar nichts einfallen will, schlägt Barton in seiner Not die Hotelbibel auf und stößt auf das Buch Daniel. Bekanntlich fordert der babylonische König Nebukadnezzar hier seine Gelehrten auf, seinen Traum zu deuten. Doch wie der Produzent, für den Barton arbeitet, weigert der Herrscher sich, seinen Traum zu erzählen. Die Interpretation wird so zur mission impossible. Im Gegensatz zum biblischen Daniel hat Barton keine göttliche Hilfe: Die Ablehnung der »Deutung«, die er schließlich vorlegt, ist gnadenlos wie eine biblische Verdammnis – doch hier bringen die Coens noch einen neuen Aspekt ins Spiel: Barton Fink hat ja eigentlich Großes im Sinn. Ein neues Theater will er kreieren, zugeschnitten auf die Nöte des kleinen Mannes. Leider interessiert ihn sein Sujet nicht im Mindesten. Selbst dann nicht, als sein Zimmernachbar – ein prototypischer kleiner Mann und obendrein Catcher – ihm Nachhilfe geben will. Barton ist besoffen von der eigenen Sprache und seiner narzisstischen Hybris. Deshalb kommen die Plagen Hollywoods über ihn wie eine gerechte Strafe. Diese vollendete Zweideutigkeit beherrschen nur die Coens.
Manfred Riepe
USA 1991, Joel und Ethan Coen, mit John Turturro, John Goodman, Judy Davis
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