Kritik zu Zone

© eksystent Filmverleih

Die Regisseurin Christina Friedrich lässt in dieser Adaption ihres eigenen Romans »Keller« die Gespenster des NS-Konzentrationslagers »Mittelbau Dora« im thüringischen Nordhausen wieder lebendig werden

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Gewidmet hat Christina Friedrich ihren Film »Zone« jenen Menschen, die im NS-Konzentrationslager »Mittelbau Dora« der Vernichtung durch Arbeit zum Opfer fielen, die, ganz wörtlich, um ihr Leben gebracht wurden. Diese Arbeit fand statt in der Stollenanlage des knapp 340 Meter hohen Kohnsteins, die in den Jahren 1939 bis 1945 zur Produktionsstätte von Rüstungsgütern (darunter die V2-Rakete) ausgebaut wurde. Der Kohnstein wiederum liegt in der Montanregion Harz bei Nordhausen im gleichnamigen Landkreis in Thüringen. Das ist deswegen keine luxuriöse Zusatzinformation oder, wie man heute sagt, kein »fun fact«, weil an diesem Originalschauplatz gedreht wurde und weil dieser blutgetränkte Boden Geister speit.

Diese Geister laufen in diesem Film nun alle herum: Kerkermeister in AfD-Pullovern, die die dicken Maxe markieren. Eine junge Frau mit langen Haaren und pampigem Gesichtsausdruck, die immer wieder eingefangen und malträtiert wird und die sich immer wieder befreit und flieht. Eine Mutter, die verschleppt wurde und gesucht wird. Wechselnde Liebhaber, die keine Heldentaten vollbringen. Kinder, die in einer wunderbaren Discosequenz Spaß haben, bis sie, später im Film, in einem Stall zusammengetrieben und gedemütigt werden. Ein diverses Multikulti-Volk, dem ein militanter Mob nachsetzt. Verräter. Täter. Mitläufer. Verdränger. Eine Göttin in einem Steinbruch, die an ihrer Schöpfung verzweifelt und sich schließlich einen mittelgroßen Brocken ans Hirn knallt, woraufhin allerorten alles aus den Fugen gerät. Beziehungsweise noch mehr aus den Fugen gerät als ohnehin schon.

Die Regisseurin, Produzentin und Schriftstellerin Friedrich, geboren 1965 in eben jenem Nordhausen, adaptiert mit »Zone« ihren 2021 erschienenen Roman »Keller« für die Leinwand. Sich selbst bezeichnet Friedrich als »Chronistin gesellschaftlicher Bewusstseinsströmungen«.

Nun zieht ein Bewusstseinsstrom eher keine konventionelle Erzählweise nach sich, viel lieber mäandert er und franst aus, greift über oder schweift ab. Von der Hoffnung auf einen Handlungsverlauf im Sinne von kausal verknüpften Ereignissen, an deren Ende klar formulierbare Erkenntnisse stehen, verabschiedet man sich angesichts des vorliegenden Werks am besten zügig. Die Erkenntnis trifft einen allenfalls wie ein Steinschlag, schmerzhaft und bereits halb ohnmächtig; um mit Thomas Heise zu sprechen: »Man kann sich Geschichte länglich denken, sie ist aber ein Haufen.«

In »Zone« ist Geschichte ein Raum und Zeit sprengendes Assoziations-Konglomerat, das die Vergangenheit in eine Gegenwart holt, die bereits in der Zukunft liegt, und daraus Handlungsbedarf ableitet. Das ist, wenn man sich in der aktuellen politischen Landschaft umschaut, kein völlig entlegener Gedanke (Stichwort: Krise der Demokratie); die große Öffentlichkeit, die das was angeht, wird dieser mutig mit den Rezeptionsgewohnheiten brechende Film jedoch wohl eher nicht erreichen.

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