Kritik zu Zeit der Kannibalen
Ob Kuala Lumpur oder Lagos, Hauptsache Kapitalismus: Sebastian Blomberg, Devid Striesow und Katharina Schüttler verkörpern als Unternehmensberater das moderne, entfremdete Elend des Handelsreisenden im Geldgeschäft
Frank Öllers und sein Kollege Kai Niederländer sind schon lange bei der »Company«. Ihr Konzern kauft Firmen auf, deren Gewinne gesteigert werden sollen, auf Biegen und Brechen. Das ist der Job der beiden Unternehmensberater, die ununterbrochen um den Globus jetten. Die Städte, in denen die Vielflieger Station machen, kennen sie nur dem Namen nach. Die Welt erscheint ihnen als monotone Abfolge einander gleichender Luxushotels. Den beiden geht es wie dekadenten Popstars auf einer endlosen Konzerttournee. Ihre Performance ist jedoch destruktiv: Mit einem ritualisierten Kanon modischer Worthülsen setzen sie regionale Unternehmer unter Druck und zerschlagen funktionierende Strukturen.
Kommt einem bekannt vor. In Jason Reitmans »Up in the Air« fliegt ein Job-Terminator durchs Land, um im Auftrag feiger Chefs, die gefeuerten Angestellten nicht mehr in die Augen sehen mögen, die schlechte Nachricht ihrer Kündigung mit guter Miene zu überbringen. George Clooney spielt in dieser Satire auf die globalisierte Geschäftswelt einen entwurzelten Menschen, dem das Leben aus dem Koffer zur zweiten Natur wurde. An dieses Konzept knüpft Drehbuchautor Stefan Weigl an, setzt aber mit Regisseur Johannes Naber einen anderen Akzent. Den beiden geht es weniger um den Menschen als um die Botschaft: Öllers und Niederländer repräsentieren jenen Raubtierkapitalismus, von dem sie schließlich selbst gefressen werden. Da die Moral von dieser Geschichte absehbar ist und die Tonlage meist gleich bleibt, vermag »Zeit der Kannibalen« nur streckenweise zu überzeugen.
Schade eigentlich, denn das Kammerspiel über den Zynismus arroganter Berater, die den Kontakt zur Realität der Geschäftswelt verloren haben, hat Potential. Neben dem gut aufgelegten Sebastian Blomberg ist Devid Striesow zu sehen, der eigentlich in fast jeder Rolle glänzt. In »Zeit der Kannibalen« spielt er einen Familienvater, der Zimmer-mädchen für Sex bezahlt und mit seiner esoterischen Frau am Telefon über Risiken und Nebenwirkungen modischer »Masernpartys« debattiert. Solche Zeitgeistmotive, zu denen auch das »Powerpoint-Karaoke« zählt, werden stakkatoartig durchdekliniert. Dabei entstehen keine lebendigen Figuren. Da der Film seine theaterhafte Sprödigkeit nicht abstreift, sieht man in Striesow und Blomberg nur zwei gute Akteure bei dem Versuch, eine gute Performance abzuliefern. Als Frau, die beide gegeneinander ausspielen soll, geht Katharina Schüttler leider ein wenig unter.
Das ist ebenso schade, denn der Film rührt einen spannenden Themencocktail an. Die Kritik am entfesselten Turbokapitalismus, der nur noch den Gesetzen der Finanzmärkte gehorcht, ist aber mehr gefühlt als durchdacht. Der Einspruch gegen selbstzweckhafte Marktmechanismen und deren abgedrehte Strippenzieher bleibt vage wie zuletzt in David Cronenbergs enttäuschender DeLillo-Adaption »Cosmopolis«. »Zeit der Kannibalen« ist gut gemeint, aber leider nicht ganz so gut gemacht.
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