Kritik zu The Wrestler
Mickey Rourke scheint für diese Rolle wie geboren, als sei er eigens für sie durch Himmel und Hölle seiner Karriere gegangen. Als alternder Wrestler Randy the Ram feiert er ein großartiges Comeback
Darren Aranofskys neuer Film handelt zunächst einmal vom Showbusiness. Vom trashigen und karnevalesken Showbiz der professionellen Wrestler, das gerade wegen seiner Schäbigkeit und besonderen Subkultur das Wesen aller theatralischer Geschäfte aufzeigt: die Geborgenheit, die es vermitteln kann, den Triumph der Performance und die Verlorenheit, in die es die Akteure wirft nach jeder Vorstellung und besonders am Ende der Karriere.
»The Wrestler« spielt in einer seltsamen Zeit: in einem permanenten Danach. »20 Jahre danach«, heißt es in einer Einblendung gleich zu Beginn des Films. Der Film erzählt eine Geschichte von einem schmutzigen Boulevard der Dämmerung, von den Hinterhöfen des Ruhms. Der Schauplatz ist eine graue amerikanische Ostküstenstadt, in der es für immer zu regnen oder zu schneien scheint.
Man kann nicht umhin, »The Wrestler« mit einem anderen Film zu vergleichen: mit »JCVD« von Mabrouk El Mechri, der auch dieses Jahr in die Kinos kommt. Darin feiert eine andere Diva des Machismo der achtziger Jahre ein sympathisches Comeback: Jean- Claude Van Damme, »the muscles from Brussels«. Aber während El Mechris Film verspielt und selbstironisch daherkommt, hat Darren Aranofsky, dessen letztes Werk der überambitionierte »The Fountain« war, einen beinahe geradlinigen Film gedreht, leicht verfremdet durch die melancholische Stimmung des Danach. Nur einen Manierismus erlaubt er sich: Er zeigt den Wrestler Randy immer wieder von hinten, den breiten Rücken, auf den ein Kruzifix tätowiert ist. Diese Einstellung verknüpft das Showbiz-Thema mit der Religiosität des Films: der Performer harrt der Dinge, die vor ihm liegen, aber wir sehen nicht sein Gesicht, wie bei vielen Jesus-Darstellungen.
In den achtziger Jahren war Randy the Ram noch ein Star der Wrestling-Szene. Jetzt kämpft er nur noch an Wochenenden bei kleinen, oft armseligen Veranstaltungen. Er hängt an der Kameradschaft unter den Ringern, liebt die blutige, realistische Inszenierung der Kämpfe, welche die Wrestler vorher genau miteinander absprechen. Und er liebt natürlich die Artistik im Ring, den Jubel der Zuschauer, die selbst oft Außenseiter der Gesellschaft sind. Dafür treibt er seinen alternden, geschundenen Körper an die Grenzen.
In den achtziger Jahren war auch Mickey Rourke noch ein großer Star, mit Filmen wie »Angel Heart«, »The Year of the Dragon« und »9½ Wochen«. In den Neunzigern kam dann der Karriereknick. Der als schwierig geltende Rourke widmete sich immer mehr seiner eher zweifelhaften Laufbahn als Profiboxer. Es folgte eine Zeit der Selbstzerstörung, des finanziellen Ruins und der körperlichen und psychischen Exzesse. Er gab noch einige Charakterfiguren im Kino, verdingte sich aber hauptsächlich als Türsteher und Leibwächter. Sein aufgepumpter Körper und sein zerschlagenes und immer wieder nachoperiertes Gesicht zeugen von diesem existenziellen Wrestling. Die Parallelen zwischen Rourke und dem von ihm verkörperten Randy sind unübersehbar. Man vergesse Robert De Niro als Jake La Motta. Denn wenn Rourke auch nicht Randy the Ram ist, so stellt der Wrestler doch die Rolle seines Lebens dar.
»The Wrestler« ist zudem ein Abgesang und zugleich eine Hommage an eine vergessene amerikanische Männlichkeit. Mit seinem langen, blonden Haar über den Muskelpaketen ist Randy ein urban primitive, ein Glam-Rocker der Körperlichkeit und die versehrteste Blondine aller Zeiten.
Die Einsamkeit des Profi-Ringers Randy beginnt, wenn er die Familie der Wrestler verlassen hat. Dann fährt er zurück in den Trailerpark, wo er einen Wohnwagen bewohnt, dessen Miete er gerade so bezahlen kann. Seine Einsamkeit wird noch größer, als er nach einer Herzattacke das Wrestling aufgeben muss. Er bleibt aber ein Performer, auch wenn er hinter dem Tresen der Supermarkt-Fleischabteilung jobbt. Da hantiert und kämpft er mit den Fleischwaren und den Kunden: ein trister Wrestler des Alltags.
Zwei Frauen sind es, die Randy vielleicht helfen könnten, aus seiner Isolation herauszufinden. Da ist seine Tochter Stephanie, eine Studentin, die er seit Jahren nicht gesehen und wahrscheinlich ein Leben lang vernachlässigt hat. Wie sich die beiden wieder langsam näherkommen und wie Randy das neue Vertrauen dann leichtsinnig verspielt, das ist ein herzzerreißendes Melo innerhalb des Films.
Die zweite Frau, die Randy immer wieder aufsucht, ist Cassidy, eine Stripperin in einer schmuddeligen Bar am Rande der Stadt. Man wünscht sich so sehr, dass Randy mit ihr zusammenkommen würde. Aber Cassidy ist eine professionelle Sex-Arbeiterin, vielleicht das weibliche Äquivalent zu Randy. Auch sie, nicht mehr die Jüngste, arbeitet mit ihrem Körper, mit der Show der Emotionen. Ihre Persönlichkeit bleibt verbarrikadiert. Die schöne Marisa Tomei, die sogar einmal den Oscar gewonnen hat (für »My Cousin Vinnie«, 1992) ist Rourke in der schauspielerischen Leistung ebenbürtig: Sie ist als Cassidy die perfekte Maria Magdalena zu Rourkes Jesus-Figur.
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