Kritik zu Workers

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José Luis Valle erzählt in seinem ersten Kinofilm von einem Putzmann und ­einer Hausangestellten, die mit beginnendem Alter gegen den vorgezeichneten Gang ihres Lebens aufbegehren.

Bewertung: 4
Leserbewertung
3.5
3.5 (Stimmen: 2)
Zwar ist Workers der Titel des ersten Kinofilms von José Luis Valle – von Arbeitern ist in den ersten Einstellungen jedoch nichts zu sehen. Stattdessen eine mexikanische Strandlandschaft, Meeresrauschen, Möwen. Ganz langsam, geradezu zärtlich tastet César Gutiérrez Mirandas Kamera die Szenerie ab. Eine Frau und ein Kind kommen ins Bild, die Frau scheint Kontakt zu einem Mann aufzunehmen, ganz sicher ist das nicht. Workers beginnt mit einem Rätsel, einem Appell an die Fantasie des Zuschauers. Stellvertretend für ihn beobachtet ein Mann die Szene am Strand. 
 
Das Drehbuch des mexikanischen Regisseurs erzählt die Geschichte von Rafael (Jesús Padilla) und Lidia (Susana Salazar), die einst ein Paar waren, bis sie ein Schicksalsschlag vor 30 Jahren entzweite. Rafael putzt seit Jahrzehnten in einer Glühbirnenfabrik in Tijuana. Lidia lebt als Hausangestellte im Haus einer reichen, todkranken Frau.
 
Valle zeigt in Workers viel von der auszehrenden Routine im Arbeitsalltag von Rafael und Lidia. Der Film lief im Panorama der Berlinale 2013. In wohlwollenden Kritiken wurde häufig auf die Darstellung »prekärer Dienstleistungsverhältnisse« im Film hingewiesen: Workers führe die Absurdität solcher Ausbeutung in der postkapitalistischen Gesellschaft mit den Mitteln der leisen Groteske vor Augen. Das Sein bestimmt natürlich das Bewusstsein von Rafael und Lidia, aber dem Filmemacher José Luis Valle kommt es erst in zweiter Linie auf sozioökonomische Dimensionen an. Was ihn viel mehr interessiert, sind Psychologie und Poesie.
 
Der Schauspieler Jesús Padilla schlüpft in die Rolles eines Putzmannes, der undurchdringlich wie Buster Keaton und mit zwanghafter Pedanterie seine Tätigkeit erledigt. Er ist ein Vietnamkriegsveteran, lebt illegal in Mexiko und sieht sich seinem Arbeitgeber ausgeliefert. Rafael ist ein stilles, dunkles Wasser, vielleicht auch ein lange inaktiver Vulkan; er hat viele Geheimnisse. Susana Salazar verkörpert als Lidia lächelnde Fürsorge und leise Nächstenliebe, zumindest auf den ersten Blick. Beide Figuren vereint der Wunsch, im reifen Alter gegen ihr scheinbar vorbestimmtes Leben aufzubegehren und den drohenden Fatalismus zu besiegen. Das drückt sich in kleinen Rebellionen aus oder in einem mörderischen Plan. José Luis Valle nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise ins Herz der Wahrheit. So wie die Kamera immer wieder aus großer Distanz Häuser und Räume zunächst von außen betrachtet, um danach ins Innere vorzudringen, begegnet sie auch den handelnden Personen. Sie offenbaren sich erst allmählich.
 
Valle malt spannungsvolle, skurrile, schwarzhumorige Tableaus. Rafaels Isolation und Einsamkeit akzentuiert er durch gleißendes Licht, in dem sich der Arbeiter aufzulösen scheint. Lidia erklärt sich durch kleine Gesten, eine mühsam unterdrückte Emotionalität – und durch die Träume, von denen sie erzählt. Was Workers von José Luis Valle anbietet, ist das Gegenteil von Überwältigungsästhetik. Paradoxerweise gelingt Valle mit leisen, sensiblen, intensiven Tönen ebendies: den Zuschauer zu überwältigen.

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