Kritik zu The Woman King
Eine wahre Geschichte wird zum mitreißenden Historien-Actionfilm: Gina Prince-Bythewood inszeniert Viola Davis als eine Art »Braveheart«
Eine Armee, die ausschließlich aus toughen Schwarzen Frauen besteht – was in »Black Panther« noch wie Teil eines afrofuturistischen Fantasy-Szenarios wirkte, ist in Wirklichkeit ein alter Hut. Im westafrikanischen Königreich Dahomey nämlich, dem heutigen Benin, lag mehrere Jahrhunderte lang die Hauptverantwortung für die Sicherheit des Landes und seines Herrschers in den Händen eines rein weiblichen Heers, dessen Anführerin nicht selten ähnlich mächtig war wie der König selbst.
Dass kaum jemand mit der Historie dieser Agojie genannten außergewöhnlichen Kriegerinnen vertraut ist, hat viel damit zu tun, dass Geschichtsbücher gemeinhin von weißen westlichen Männern geschrieben wurden. Doch filmreif ist der Stoff allemal, wie nun »The Woman King« beweist, für den Regisseurin Gina Prince-Bythewood und Drehbuchautorin Dana Stevens auf reale Ereignisse und Figuren zurückgreifen.
Im Jahr 1823 gerät König Ghezo von Dahomey (John Boyega) zusehends unter Druck. Weil man nach früheren Niederlagen dem Nachbarreich der Oyo Tribute schuldet, müssen immer wieder Söhne des Landes für den Sklavenhandel abgetreten werden, derweil die eigenen Geschäfte mit den Portugiesen ins Stocken zu geraten drohen. Der Handel mit Palmöl könnte einen Ausweg bedeuten, doch zunächst einmal muss Generalin Nanisca (Viola Davis) mit ihrer Armee verhindern, dass der Feind noch mehr Kontrolle über Dahomey gewinnt. Derweil mit der jungen Nawi (Thuso Mbedu aus »The Underground Railroad«) ein Neuling zu den Agojie stößt, deren aufmüpfiger Ehrgeiz auch Nanisca nicht entgeht.
Prince-Bythewood, die schon mit so unterschiedlichen Filmen wie »Love & Basketball«, »Beyond the Lights« und »The Old Guard« bewiesen hat, dass sie die gesamte Klaviatur der Mainstream-Unterhaltung zu bedienen weiß, inszeniert diese Geschichte enorm publikumswirksam als wuchtige Mischung aus Historiendrama, Kriegsfilm und Abenteuerepos. Ihr geht es nicht um bierernsten Realismus, auch nicht um verkopfte Düsterkeit wie in Justin Kurzels »Macbeth« oder grelle Computerspiel-Rasanz à la Guy Ritchies »King Arthur«. Vielmehr wirkt »The Woman King« in seinem mitreißenden Action-Pomp und beinahe soapigen Story-Elementen wie eine späte Antwort auf »Braveheart« und ähnliches Neunzigerjahrekino.
Das von antikolonialistischen und profeministischen Botschaften durchzogene Drehbuch kommt hier und da etwas papieren daher, doch das wiegt »The Woman King« mit eindrucksvollen Kampfchoreographien und Bildern auf. Echtes Gewicht verleiht dem Film aber nicht zuletzt das Ensemble: Mbedus Kinoeinstand gelingt hervorragend, Boyega war selten besser, und Lashana Lynch (»Keine Zeit zu sterben«) erweist sich mit viel Witz als heimlicher Star der Geschichte. Über allem thront allerdings Viola Davis, die dem Film emotional wie physisch auf eine Art und Weise Gravitas verleiht, die man durchaus als majestätisch beschreiben kann.
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