Kritik zu Wir und das Tier – Ein Schlachthausmelodram

© DOK.fest München

2023
Original-Titel: 
Wir und das Tier – Ein Schlachthausmelodram
Filmstart in Deutschland: 
02.11.2023
L: 
81 Min
FSK: 
12

Kein Fleisch ist auch keine Lösung: David Spaeth spricht in seinem Dokumentarfilm mit Menschen, die Tiere schlachten, und mit solchen, die sie essen – oder auch nicht

Bewertung: 4
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Es ist dunkle Nacht. Friedlich und still. Dann kommt ein Auto, blendet auf und fährt geschmeidig an der Kamera vorbei. Ein saftiges Steak, mariniert in Knoblauch und Rosmarin, wird auf einen Grill geworfen, die Flammen lecken wie Zungen, und jedem Fleischesser läuft das Wasser im Mund zusammen. Schon nach den ersten Bildern weiß man, dass dieser Film keine Anklage sein will, kein aktivistisches Statement für oder gegen die Fleischindustrie. Dieser Film will aufklären, will dahin schauen, wo wir lieber nicht hingucken, in den Raum, der zwischen Schwein und Leberwurst liegt. In dem Mensch und Tier einander existenziell nahekommen. In dem das Tier stirbt, um uns als Nahrung zu dienen. 

Dieser Raum ist ganz real, mal klein, mal größer, als Handwerksbetrieb oder von präzisen, niemals müden Robotern betrieben. David Spaeth spricht mit Metzgern und Schlachterinnen, mit Menschen, die auf die eine oder andere Art in der Fleischindustrie arbeiten. Frauen und Männer, die sich immer wieder fragen, ob es in Ordnung ist, was sie da tun, ob sie gar Spaß bei ihrer Arbeit haben dürfen. Die überlegen, ob man diesen Job jahrein, jahraus machen kann oder ob es irgendwann genug ist. Ob die Seele überlastet ist von so viel Tod. »Ich esse Hühner, Gänse, Truthähne, aber Rindfleisch esse ich nicht«, sagt ein Schlachter, der an einem Tag auch schon mal 1000 Tiere tötet. »Ich habe dafür keine Begründung«, sagt er, »ich esse es einfach nicht, nach all dem Blut, in dem ich hier täglich stehe.«

David Spaeth hat seinen Film mit einer erstaunlichen Sanftheit gestaltet. Es gibt keine schreienden Tiere, keine Bilder von qualvoll verendenden Kühen, keine Brutalität bei den Schlachtern. Vielmehr zeigt er selbstbewusste Menschen, die sich nicht wundern, dass Menschen in der Kneipe nicht nachfragen, wenn sie ihren Beruf erwähnen. Er begleitet zwei junge Frauen, die sich vorgenommen haben, einen Schlachtkurs zu besuchen und zu spüren, wie es sich anfühlt, ein Tier zu töten. Zeigt, wie sie Kontakt aufnehmen am Abend und die Schweine in ihrer Box ganz friedlich grunzen hören.  Und wissen, dass sie am Morgen sterben werden. Sie werden dabei sein, mithelfen, sie zu zerteilen. Die Wurstherstellung kennen sie bereits. Und wir sehen, welche Probleme dabei entstehen, sehen das Zögern und die Überwindung. Sie tun es und fragen dann beim Frühstück doch eher nach Marmelade als nach Blutwurst. 

So einfühlsam wie der Film geben sich die Metzger und Schlachterinnen. »Stell dir vor, du kommst in den Himmel und es ist ein Schwein, das dir die Tür aufmacht«, sagt ein alter Schlachter, »sorge dafür, dass du hier alles so gemacht hast, dass es dich reinlässt.«

Dieser Film zeigt, wie es auch gehen kann. Denn kein Fleisch ist auch keine Lösung. All diese Tiere gäbe es nicht, wenn wir sie nicht essen würden. Niemand hält hundert Schweine, um sich an ihrem Anblick zu freuen, keine Bullen, keine Hähne. Es ist alles eine Frage des Maßes. Und des Bewusstseins. Man muss dafür keinen Schlachtkurs belegen. Vielleicht reicht es schon, diesen Film zu schauen.

Meinung zum Thema

Kommentare

Lieber Herr Sonnenschein,

"Denn kein Fleisch ist auch keine Lösung. All diese Tiere gäbe es nicht, wenn wir sie nicht essen würden." Diesen Satz verstehe ich nicht. Es gäb diese Tiere sehr wohl. Nur eben nicht in dieser Masse, in dieser qualvollen, entwürdigenden Haltung, die nur daraus resultiert, daß Menschen sie essen wollen. Und wenn die Existenz dieser Tiere damit verbunden wäre, daß sie so dahinvegetieren wie sie es tun, dann würde ich lieber darauf verzichten, daß es sie gibt. Man kann sie ja einfach leben und natürlich sterben lassen. So wie es die zahlreichen Lebenshöfe praktizieren. Freundliche Grüße, Barbara Ernst

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