Kritik zu Wiedersehen mit Brundibar
In seinem Dokumentarfilm über eine Neuinszenierung der Kinderoper Brundibár erzählt Regisseur Douglas Wolfsperger von der nachhaltigen Notwendigkeit, auch heute noch über den Holocaust nachzudenken
Es hat sich nicht viel verändert, wenn es um den Holocaust geht. Die Generation, die wirklich dabei war, ist inzwischen verstorben, und die, deren Geschichtsunterricht 1933 endete, hat die Lücke vielfach nicht geschlossen. In jedem Fall ist die Gruppe derer, die gern und oft über die Ermordung der Juden sprechen, eher klein. Bis heute. Das zumindest bezeugen Jugendliche, die ihren Eltern vorwerfen, sich nicht ernsthaft damit auseinanderzusetzen, oder über unengagierte Geschichtslehrer klagen. Der Satz »Irgendwann muss es doch mal gut sein« klingt heute noch genauso falsch wie gestern. Deshalb ist die erste Reaktion einer Jugendtheatergruppe der Berliner Schaubühne auch Ablehnung, als es heißt, man wolle »Brundibár« auf die Bühne bringen.
Brundibár ist ein Leierkastenmann, der zwei Kinder vom Marktplatz vertreibt, die Lieder singen, um ihrer kranken Mutter Milch zu besorgen. Doch mit Hilfe von Spatz, Katze und Hund und vielen Kindern aus der Nachbarschaft schaffen sie es, den Spieß umzudrehen. Uraufgeführt wurde die Kinderoper von Hans Krása 1942 im KZ Theresienstadt und von inhaftierten Kindern insgesamt 55 Mal gespielt. Die Nationalsozialisten bauten »Brundibár« auch in ihren Propagandafilm »Theresienstadt« ein, um der Außenwelt vorzutäuschen, dass die Deportierten glücklich seien. Fast alle Beteiligten wurden kurz darauf in Auschwitz ermordet. Eine der wenigen, die das KZ Auschwitz überlebten, ist Greta Klingsberg. Die lebensfrohe und auskunftsbereite Dame aus Israel, die als 14-Jährige zu der Originalbesetzung von »Brundibár« gehörte, ist für die Jugendlichen der lebende Beweis, dass die Schrecken der Vergangenheit überwunden werden können. Gemeinsam fahren sie nach Theresienstadt und nach Auschwitz und kommen so nicht nur dem Stück, sondern auch dem Ort seiner Aufführung und den historischen Bedingungen näher. Als dann bei der »Brundibár«-Premiere in der Berliner Schaubühne Greta Klingsberg im Publikum sitzt, findet der Film seinen rührenden Höhepunkt.
Das Theaterprojekt mit Jugendlichen, die zum Teil einen eigenen schwierigen Hintergrund mitbringen, unter dem Tourettesyndrom leiden, eine Drogenvergangenheit haben oder sich mit dem Elternhaus überworfen haben, ist spannend und pädagogisch hoch wertvoll. Der Film allerdings, der diesem Projekt folgt, macht sehr wenig daraus. Dass er trotzdem sehenswert bleibt, liegt an der Art, wie Greta Klingsberg mit den Jugendlichen umgeht, sie zu sich nach Israel einlädt und Vergangenheit und Gegenwart spielend verbindet. Regisseur Douglas Wolfsperger läuft dem quasi nur hinterher. Ihm fehlt die Idee, die seinen Film tragen könnte. Tatsächlich verliert er sich ein wenig in der Vielfalt dessen, was es zu erzählen gäbe. Weder die Intention derjenigen, die »Brundibár« erneut inszenieren, noch die Reaktion der jungen Schauspieler findet genügend Raum, und so bleibt der Film lange zu unentschlossen, bis dann endlich Greta Klingsberg den Fokus auf sich zieht, ohne das in ihrer bewundernswerten Bescheidenheit zu wollen.
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