Kritik zu Wie die Mutter, so die Tochter
Das Plakat plaudert die Pointe dieser französischen Komödie schon treuherzig aus. Und auch sonst signalisiert diese Mischung aus Buddymovie und Wiederverheiratungskomödie dem Publikum frühzeitig, was es zu erwarten hat
Avril und Mado werden oft für Schwestern gehalten. Es ist nicht auszuschließen, dass dieser Irrtum Tochter und Mutter gleichermaßen schmeichelt. Sie sind ein unzertrennliches Gespann, das Yin und Yang dieser Komödie. Avril (Camille Cottin) ist die Reifere, Vernünftigere. Ihr berufliches und privates Leben sind gut strukturiert. Ihre Mutter Mado (Juliette Binoche, munter blondiert) hingegen ist ein Kindskopf. Die Verantwortungslosigkeit besitzt für sie noch immer große Verlockung. Ihre Ausrutscher sind Avril zwar oft peinlich, aber insgeheim behagt der Tochter die Rolle der Fürsorgenden. Nie käme sie auf die Idee, ihre Mutter vor die Tür zu setzen. Allerdings sähe sie es gern, wenn diese wieder mit ihrem Vater Marc (Lambert Wilson) zusammen käme. Zumindest gegenüber ihren Schwiegereltern muss der Anschein aufrechterhalten werden, es habe nie eine Scheidung stattgefunden. Über Avrils Ehemann, den verschubsten Studenten Louis (Michael Dichter), lässt sich nicht viel mehr sagen, als dass ihm alles recht ist.
Die Rollenumkehrung von Mutter und Tochter dekliniert Noémie Saglios Komödie eingangs mit treuherzig-vergnügter Beharrlichkeit durch. Kompliziert wird es erst, als Avril ein Kind erwartet, und kurz darauf auch ihre Mutter schwanger wird (Marc und sie verstehen sich noch immer bestens). Die Aussicht, Großmutter zu werden, schockiert Mado zutiefst, und im Gegenzug ist Avril empört über deren vermeintliche Unmoral; Marcs Vaterschaft wird aus nicht recht erfindlichen Gründen verheimlicht. Das Drehbuch von Saglio und Agathe Pastorino schickt das Quartett fortan auf einen holprigen Parcours der Missverständnisse. Die Konventionen der romantischen französischen Familienkomödie gebieten es, dass Lebenslektionen gelernt werden. Und der ihr innewohnende Hang zur Symmetrie verlangt, dass die Heldinnen einen Charaktertausch vollziehen. Avril muss endlich einmal über die Stränge schlagen und Mado sich am Riemen reißen. Sie darf erfreulicherweise etwas chaotisch bleiben; vor allem ist ihr aufgegeben, zu Marc zurückzukehren.
Saglios Film gibt vor, den gesellschaftlichen Erwartungen einen komödiantischen Spiegel vorzuhalten. Aber abgesehen von Avrils exotischem Beruf als »Nase« in einer Firma, die Düfte für den Haushalt herstellt, bleiben die Figuren ohne wirkliche soziale Verwurzelung. Marc ist ein exzentrischer Dirigent, welchem Broterwerb Mado nachgeht, bleibt indes unklar: Sie war einmal Tänzerin, ist sie es immer noch? Den Darstellern bleibt wenig Handhabe in einem Film, der verwirrte Gynäkologen und dauergeile Schoßhunde lustig findet. Camille Cottin ist eine faszinierend herbe Erscheinung, der man erhellendere komödiantische Herausforderungen zumuten möchte. Wilson verleiht Marc agilen, aber etwas boulevardesken Schmelz. Binoche allerdings hat einen wunderbar diskreten Moment, der viel zu klug ist für diesen Film. Bei der Schwangerschaftsgymnastik wird sie gefragt, wie denn ihre erste Geburt verlaufen sei. Sie zögert einen Augenblick und entscheidet sich dann, die schonungsvollere Version zu erzählen.
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