Kritik zu Wie die Liebe geht
Judith Keil und Antje Kruska haben für ihren Dokumentarfilm vier deutsche Paare in der Familiengründungsphase über einen Zeitraum von sieben Jahren begleitet
»Vier Hochzeiten und ein Todesfall« heißt eine legendäre Romantic Comedy vom Ende des letzten Jahrhunderts. Zwei Hochzeiten gibt es auch hier gleich in den ersten zehn Minuten – ganz traditionell, nicht nur ein schnöder Gang zum Standesamt. Und wir sehen, dass die Öffnung der Ehe für lesbische Paare zumindest bei Sarah und Patty zu einem wahren Überschwang an patriarchaler Symbolik samt Frack, weißem Schleier und Übergabe durch den Brautvater bei den Feierlichkeiten führt. Bald betreiben beide die Realisierung ihres Kinderwunschs durch Samenspende.
Auch Nici und Benni heiraten ganz in Weiß, während Nicola und Mirko in Bremen gerade ein Baby bekommen haben – er hat schon vier Kinder mit drei anderen Frauen. Auch das vierte der für den Film (wohl gemäß den Förderquellen aus Bremen, Berlin, NRW und Sachsen-Anhalt) gecasteten Paare will Kinder, eine Geburt in einem Berliner Geburtshaus wird ausführlich in Szene gesetzt. So wird das im Titel angesprochene Thema »Liebe« ohne große Erläuterung oder Einordnung für den Film offensichtlich gleichgesetzt mit dem Entschluss zur Familiengründung: Eine Reduktion, die auch die Themen in Gesprächen und Auseinandersetzungen betrifft (selbst eine Theateraufführung kreist um Schwangerschaft), auch wenn es dabei einmal um den Wunsch nach einer offenen Beziehung mit polygamen Elementen geht, ein anderes Mal um die dominante wissenschaftliche Karriere des Ehemanns oder um einen schweren Schlaganfall, der die Kleinfamilien-Routinen jäh unterbricht. Und Nicola lebt nach vierzig Minuten Filmzeit mit Töchterlein wieder bei ihrer Mutter, weil der Ehemann sie einfach vor die Tür gesetzt hat: »Was meinst du, kriegt sich der noch mal wieder ein?«
Sieben Jahre haben Judith Klein und Antje Kruska an ihrem Film gedreht. 2001 hatten die beiden mit ihrem zweiten gemeinsamen Dokumentarfilm über Reinigungskräfte (»Der Glanz von Berlin«) ihren ersten großen Erfolg, zuletzt waren sie 2017 mit ihrem Porträt des des Islamismus bezichtigten populären Neuköllner Imams Mohamed Taha Sabri (»Inschallah«) auch in die Kritik geraten, dessen Anbiederungen auf den Leim gegangen zu sein.
Ähnlich wie ihre vorherigen Filme ist »Wie die Liebe geht« in beobachtendem Gestus sorgfältig komponiert und wird ergänzt durch erklärende Statements einzelner ProtagonistInnen. So werden – wie naheliegend bei solcher Drehdauer – entscheidende Momente öfter im Rückblick angesprochen oder erzählt. Erstaunlicher ist, dass neben den bürokratischen Hindernissen für die Anerkennung der lesbischen Elternschaft die materiellen Lebensumstände der Familien oder auch die berufliche Situation (bis auf Bennis Dissertation) nur ganz am Rande (etwa bei Mirko als Störfaktor) vorkommen. Nur einmal sehen wir Patty vor einem (ihrem?) Truck. So scheint das im Film Verhandelte oft ohne echte Bodenhaftung. Wer gern in Familiendingen schwelgt, kommt dennoch auf seine Kosten, wer beim Stichwort »Beziehungsgespräch« lieber die rote Karte zieht, wird eher leiden.
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