Kritik zu Wickie und die starken Männer
Wer in den Siebzigern Kind war, kam um Wickie und seine tollen Einfälle nicht herum: Bully Herbig widmet sich mit dieser Realfilmversion der Billigzeichentrickserie erneut einem Klassiker der TV-Unterhaltung
Der Vater will einen Rabauken zum Sohn, doch Wickie ist ein stillvergnügter Tüftler. Zu Beginn fordert Vater Halvar den zarten Bub zum Wettbewerb im Felsbrocken-Schleppen auf, was Wickie zur Erfindung einer Steinschleuder anregt: Köpfchen statt Muskeln, lautet die vordergründige Botschaft. Wer aber als Kind die TV-Zeichentrickserie mitverfolgte, erkennt nun in der Realfilmversion, dass der ödipale Kernkonflikt, einst von simplen Zeichnungen überspielt, starker Tobak ist. Wahrlich, bei einem solchen Papa braucht man keine Feinde.
Überdies hat Regisseur Herbig die Wikinger mit falschen Bäuchen, Nasen und Zottelperücken recht barbarisch aufgemotzt. Doch Herbig, dafür bekannt, alten Fernsehschätzchen neue Perspektiven abzugewinnen, hat diesmal keine Parodie im Sinn und erst recht keinen bedeutungsvollen Film, in dem der Zeigefinger gehoben wird. Wickie entpuppt sich stattdessen als unprätentiöser und schwungvoller Kinderabenteuerfilm von nostalgischer Machart, der nur selten in Richtung des Erwachsenenpublikums zwinkert. Anders als in der Serie bekommt Wickie mit der kleinen Ylvi eine bewundernde Freundin zur Seite gestellt. Ansonsten ist er wie gehabt ein autonomer kleiner Racker, der im Unterschied etwa zu US-Kinderfilmen keineswegs rührselig nach der Anerkennung des Vaters lechzt. In hübschen Kulissen entrollt sich eine unbekümmert turbulent-märchenhafte Geschichte, beginnend mit der Attacke des »Schrecklichen Sven«, der die Kinder des Wikingerdorfes entführt. Auf der Verfolgungsjagd kommen Flugmaschinen, Nebelbänke, eine Chinesin in der Kiste und ein Wikingerschiff, mit dem sich nahezu alles anstellen lässt, zum Einsatz. Dabei kann man in den Wikingerkaspern, die sich mangels anderer Gegner auch schon mal gegenseitig hauen, bekannte Gesichter wie Christoph Maria Herbst und Jürgen Vogel entdecken, auch lässt sich manche Szene als Film- oder Comiczitat interpretieren. Michael Bully Herbig in der Rolle eines aus der Zeit gefallenen »spanischen Hofchronisten« ist zwar überflüssig, doch als Regisseur beweist er ein Händchen für Timing und für die richtige Tonart.
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