Kritik zu We Live in Time
Der irische Regisseur John Crowley (Brooklyn) erzählt mit Florence Pugh und Andrew Garfield in den Hauptrollen die Chronik einer Liebe. Im Geflecht aus Rückblenden geht es um fragile Gefühle und die Flüchtigkeit des Glücks
Die Geschichte einer Liebe über zehn Jahre hinweg, vom Anfang bis zum Ende: das Kennenlernen, ganz wortwörtlich mit einem Crash, dann eine Einladung als Entschuldigung, Flirten, eine erste gemeinsame Nacht, die scheue Betretenheit am Morgen danach, geht es weiter? Wie geht es weiter? Die Leichtigkeit des Verliebens. Ernsthafte Überlegungen über die gemeinsame Zukunft, Kinder ja oder nein, was heißt das, fürs Leben, die Liebe, den Beruf? Dann der Schock einer vernichtenden Diagnose, Eierstockkrebs mit Mitte 30. Wie geht man damit um, ganz pragmatisch, im Moment oder eher in die Zukunft gedacht? Nach vielen Enttäuschungen endlich schwanger, und dann meldet sich auch der Krebs wieder . . .
Crowley erzählt diese Chronik einer Liebe nicht in der natürlichen Reihenfolge. Man könnte es willkürlich nennen, wie er die Ereignisse durcheinanderpurzeln lässt, so dass man als Zuschauer immer auch die Aufgabe hat, sich zurechtzufinden, zuzuordnen, die Teile zu sortieren. Diesen Trick hat der irische Regisseur Crowley schon in früheren Filmen häufig angewandt, im Kriminalfall »Boy A« ebenso wie in seiner Verfilmung von Donna Tartts Roman »Der Distelfink«, und er funktioniert auch hier wieder, weil er mehr ist als nur formale Spielerei. Ist doch klar, dass Gedanken und Erinnerungen in einer existenziellen Krise unsortiert über Menschen hereinbrechen. »We Live in Time«, das ist zunächst mal eine banale Feststellung – hier wird sie zum Konstruktionsprinzip der Erzählung und verleiht ihr etwas alltäglich Leichtes und zugleich nachdenklich Tiefgründiges.
John Crowleys besonderes Talent, flüchtige zwischenmenschliche Momente mit Beiläufigkeit einzufangen, war schon in seinen früheren Filmen zu spüren. Immer wieder gelingt es ihm, seinen SchauspielerInnen einen Raum zu eröffnen, in dem sie sich mit größtmöglicher Natürlichkeit entfalten können. Die besondere Chemie zwischen Florence Pugh und Andrew Garfield bringt nun auch »We Live in Time« zum Leuchten. Während Pugh zum ersten Mal für Crowley spielt, war Garfield schon im Krimidrama »Boy A« mit einer beeindruckenden Mischung aus Beherrschung und Durchlässigkeit aufgefallen.
Anders als etwa in den 70er Jahren in Arthur Hillers »Love Story« kommt die Tragik dieser Liebesgeschichte eher durch die Hintertür. Sie ist emotional, aber nie sentimental, das zeigt allein schon die Szene, in der Tobias und Almut ihre kleine Tochter am Tisch in einem Diner in die existenziellen Probleme einweihen, die sie gerade durchmachen: »Dein Vater und ich, wir möchten mit dir über etwas reden«, sagt Almut, »es ist aber ein bisschen ernst.« Es ist hinreißend, den beiden jungen Eltern dabei zuzuschauen, wie sie sich ihre eigenen Wege bahnen, in Krisenmomenten, die zu den Standardsituationen des Kinos gehören, die man schon Hunderte Male gesehen hat, oft mit mehr Pathos. Auf melancholische Weise entsteht auch Humor, etwa wenn sie überlegen, ob es ihrem Kind helfen würde, einen sehr alten Hund zu kaufen, als könne man das Abschiednehmen üben . . .
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