Kritik zu Warten auf Schwalben
Der Episodenfilm des algerischen Regisseurs Karim Moussaoui entwirft in Einzelgeschichten ein Porträt der schwierig zu fassenden, wenig optimistischen Stimmung seines Heimatlandes
»Ich habe genug, ich habe den Heiland«, singt Dietrich Fischer-Dieskau zum Ende des Films mit dem Münchener Bach-Orchester, und größer könnte der V-Effekt kaum sein. Vollmundig erklingt der Choral und die Kamera schwebt über eine steinig karge algerische Landschaft, vorbei an vorstädtischen Hochhäusern und den dazugehörigen Plätzen voller Müll. Er legt sich über die Brüche der Zivilisation, als gäbe es ein Heilsversprechen, eine Rettung im Spirituellen. Dass es hier um eine fremde Religion geht, verstärkt die Überhöhung noch. Man kann davon halten was man will, aber seit die Franzosen Algerien verlassen haben, ist ein vergessenes Land daraus geworden, das seinen Weg zwischen Tradition und Moderne erst noch finden muss. Genau in dieser Kluft siedelt sich der Film von Karim Moussaoui an.
Drei Geschichten erzählt er, einem Reigen gleich, und gleitet bruchlos von der einen in die andere. Dass sein Film dadurch etwas zu lang geraten ist, ist dabei schon fast der einzige Makel. Da ist der reiche Mourad, der mit einer jungen Französin in einem modernen Haus lebt, ein gutes Verhältnis zu seiner Exfrau hat und seinem Sohn mal eben ein Motorrad schenken kann. Für diesen ist es ein Weg in die Freiheit, so sehr, dass er sein Medizinstudium aufgeben will und auf dem Weg aus seinem Leben hinaus einen Unfall hat. Es bleibt ein harmloser Armbruch. Doch am selben Abend beobachtet Mourad, wie ein wehrloser Mann zusammengeschlagen wird und schweigt. Selbst als seine Frau ihm eröffnet, dass sie zurück nach Frankreich gehen will, bleibt er stumm.
Sein Fahrer nimmt sich frei, um seine Exgeliebte Aicha zu ihrer Hochzeit zu fahren. Beide bleiben von der Lebensmittelvergiftung verschont, die mehrere Hochzeitsgäste erwischt, und finden sich ungeplant im selben Hotel wieder. Schließlich Dahman, der Arzt, dessen Auto sie anschieben, will eine junge Frau heiraten und wartet deshalb auf seine Beförderung. Dahman wird beschuldigt, vor Jahren bei einer Massenvergewaltigung dabeigewesen zu sein. Als er die betroffene Frau besucht, bestätigt sie, dass er ihr nichts getan habe, die anderen aber auch nicht daran hinderte. Nun verlangt sie, dass er ihren behinderten Sohn vor dem Gesetz als den seinen anerkennt.
Es sind Bilder einer fremden Welt, die sich immer wieder der europäischen annähert, im Tanz beispielsweise arabische Rhythmen und westliche Popmusik verbindet. Das karge Land hat seine geheimnisvolle Faszination verloren, leblos, trocken und grenzenlos wirkt die Wüste. In den Städten herrscht eine anarchische Gewalt, auf dem Land Armut. Die fragmentierten Geschichten, die Karim Moussaoui erzählt, entziehen sich der Moral ebenso wie einer abschließenden Pointe, sie bleiben mahnend, widerspenstig und rau. Es gibt kein Ziel mehr, keine eindeutige Richtung. Motivisch offen schließt sich der Reigen, so, dass in ihm noch Hunderte solcher Geschichten Platz hätten. Vielleicht wären mehrere, kürzere Geschichten unterhaltsamer gewesen, so aber bleibt es ein konzentrierter, gesellschaftlich relevanter Film.
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