Kritik zu Vier Sterne Plus

© Rise and Shine Cinema

2022
Original-Titel: 
Vier Sterne Plus
Filmstart in Deutschland: 
14.04.2022
L: 
94 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Kaminfeuerduft im Eingangsbereich: Antje Schneider porträtiert einen tatkräftigen Weltverbesserer im Krankenhauswesen

Bewertung: 3
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Wer in den letzten Jahren in Berührung mit deutschen Krankenhäusern gekommen ist, dürfte – jenseits der medizinischen Behandlung – in den »soften« Bereichen des dortigen Aufenthalts wie der Raumqualität und Ernährung eher unschöne Erfahrungen gesammelt haben. Böse ließe sich sagen, dass ein längerer Aufenthalt in einem Krankenhaus vermutlich eher kränker als gesünder macht. Auch Klinikmanager David-Ruben Thies sieht das so. Er träumt von Häusern mit einladender Architektur, wo es im Foyer nach Kaminfeuer duftet – und einem auch sonst komplett umgestülpten Gesundheitswesen. Und er tut etwas. Der Geschäftsführer eines Kreiskrankenhauses im thüringischen Eisenberg hat sich dafür mit dem Mailänder Architekten Matteo Thun (einem Spezialisten für Luxushotels) zusammengetan und für seine Waldklinik ein neues zylinderförmiges Bettenhaus entworfen, bei dem alle Zimmer durch große Fenster Blick in die umgebende Natur haben.

Hinter Thies' Plänen steht die Tatsache, dass Krankenhäuser in Deutschland immer stärker um Patientinnen und Patienten konkurrieren. Und das Wissen, dass bei der Entscheidung der Einzelnen für ein Haus weniger die medizinische Qualität, sondern Faktoren wie die Lage oder die Ausstattung der Zimmer eine Rolle spielen. Doch neben einer erfolgreicheren Akquise soll auch der Betrieb selbst mit kleinteiligen »Units« statt der üblichen Stationen und gekappten Chefarzt-Hierarchien patientengerechter laufen, wie Thies erklärt. Dabei wird im Film schnell deutlich, dass der ehemalige Krankenpfleger kein idealistischer Träumer ist, sondern mit unternehmerischem Ehrgeiz gezielt versucht, kurzfristig das existierende System zu unterlaufen, um es auf lange Sicht breit und strategisch zu verändern.

Nach eigener Auskunft hat er es so geschafft, die Waldklinik mit vier Hotellerie-Sternen und einem exklusiven Arzt-Patientenschlüssel von 1:8 im Bau und Betrieb kostenmäßig sogar unter dem Level anderer Kliniken zu halten. Dabei erklärt Thies bei einer Präsentation für den damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn etwa, dass das Bauen im Luxushotelsegment wegen weniger Vorgaben beim gleichen Ergebnis sogar günstiger als das im medizinischen Bereich sei. Eine interessante Behauptung, die neugierig auf konkrete Details macht, aber (wie auch andere Punkte im Film) leider so für sich im Raum stehen bleibt.

»Vier Sterne plus« begleitet Strippenzieher Thies bei diversen solcher Meetings, bei den Bauarbeiten, beim Besuch von Best-Practice-Projekten und dem Versuch, den Mangel an Gesundheitspersonal in Thüringen mit vietnamesischer Hilfe zu entschärfen. So entsteht die breitangelegte Würdigung der wirkungsmächtigen Arbeit eines engagierten, kettenrauchenden Arbeitstiers. Aber auch ein Film, der es leider bei der musikalisch unterlegten illustrierenden Bebilderung dieser Aktivitäten belässt und – auch weil die Dreharbeiten direkt nach Eröffnung des Hauses enden – wenig sinnliche Anschauung der neuen Praxis bringt. So ist von der verbal gepriesenen revolutionierten Verköstigung ebenso wenig zu sehen wie von den neuen kooperativen Arbeitsabläufen im Haus. Ein Sequel könnte Abhilfe schaffen.

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