Kritik zu The Vanishing Soldier
Dani Rosenbergs Film über einen israelischen Soldaten, der vom Militärdienst in Gaza desertiert, wurde vor dem 7. Oktober 2023 gedreht und ist doch umso aktueller
Shlomi (Ido Tako) hat genug vom Militärdienst. Der 18-jährige Israeli ist als Soldat im Gazastreifen stationiert. Als seine Einheit frühmorgens angegriffen wird, nutzt er die Gelegenheit und desertiert. In voller Montur rennt er los, fährt im gestohlenen Auto bis zur Grenze und flieht zum Haus seiner Eltern, wo ihn nur der Hund begrüßt. Als eine Patrouille auf der Suche nach ihm an der Tür klingelt, muss er erneut untertauchen. Mit dem Rad rast er zur dementen Großmutter (Tikva Dayan), ein kurzes Atemholen, bevor er am Telefon von seiner Mutter (Efrat- Ben Tzur) erfährt, dass sein Vater (Shmulik Cohen) im Krankenhaus liegt. Doch Shlomi hat andere Sorgen, er muss nach Tel Aviv, in das Nobelrestaurant, in dem seine Freundin Shiri arbeitet, und sie davon abhalten, nach Kanada auszuwandern. Er will mit ihr ein neues Leben anfangen. Aber wie soll das gehen, in einem Land im ständigen Ausnahmezustand?
Während das Militär glaubt, Shlomi sei von der Hamas entführt worden, sucht er nach der verlorenen Normalität, bei Shiri, bei seiner Familie und in den Kneipen der Stadt. Eine Flucht auf mehreren Ebenen, in der selbst Tel Aviv als scheinbar sichere Blase keinen Halt mehr gibt, Tourismus und die ständige Bedrohung gleichermaßen den Alltag bestimmen. Stets sind irgendwo Sirenen zu hören, die Fernsehnachrichten berichten fortlaufend von Anschlägen und Einsätzen.
Der junge Regisseur Dani Rosenberg inszeniert ein pulsierendes Drama mit klarer Haltung, einen Antikriegsfilm, der den Nahostkonflikt aus israelischer Sicht schildert und dabei die Siedlungspolitik der eigenen Regierung scharf kritisiert. Dabei zeigt er, dass die Risse nicht nur durch die israelische Gesellschaft gehen, sondern auch Familien und Freundeskreise einer Generation betreffen, die mitten im Konflikt aufwächst. Shlomi mag vorübergehend die Flucht gelingen, doch ein Entkommen kann es nicht geben. Gedreht lange vor dem Massaker der Hamas vom 7. Oktober, wirkt der Film nun fast wie aus einer anderen Zeit und zugleich umso dringlicher.
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