Kritik zu Utama. Ein Leben in Würde
Regisseur Alejando Grisi erzählt von einem alten Quechua-Ehepaar im Hochland der bolivianischen Anden, das sein Leben weniger durch die Beschwernisse des Alters gefährdet sieht als durch den Klimawandel
In Europa assoziiert man den Klimawandel meist mit schmelzenden Gletschern. Im südamerikanischen Hochland dagegen sind es die versiegenden Brunnen, die jedem, der es wahrnehmen will, signalisieren, dass ein Wendepunkt erreicht ist. »Der Regen kommt nicht mehr«, sagt ein Nachbar zum alten Lama-Bauern Virginio (José Calcina), während er seine Sachen packt, um wegzuziehen in die Stadt. Virginio aber will bleiben. Mit Ehefrau Sisa (Luisa Quispe) lebt er weit abgelegen in so idyllischer wie prekärer Isolation. Die Ärmlichkeit ihrer Lehmhütte ohne Strom oder fließend Wasser ergibt im Kontrast mit der majestätisch-strengen Schönheit der Landschaft ein ungeheuer wirkungsvolles Bild. Aber Regisseur Alejandro Loayza Grisi – er begann seine Karriere als Fotograf und Kameramann – gelingt in »Utama« das kleine Wunder, das Pittoreske zu vermeiden.
Denn ja, den Aufnahmen dieses wüstenhaften Hochlands mit seinen felsigen Rändern und dem unglaublich weiten blauen Horizont eignet etwas Erhabenes. Aber statt ins Existenzielle zu überhöhen, bricht Grisi das einfache Bauernleben von Virginio und Sisa aufs Alltäglich-Reale herunter. Was man hört, spielt dabei eine mindestens so große Rolle wie das, was man sieht. Der Atem des in getrennten Betten schlafenden Ehepaars, das Klappern ihres Geschirrs beim Frühstück, ihre Kaugeräusche beim Essen und natürlich immer wieder der Wind. Die Einstellungen sind meist statisch, ohne das durch Extralänge zu markieren. Sie fangen Vignetten eines stoischen Weitermachens ein, wo Resignation längst angesagt wäre. Enkelsohn Clever (Santos Choque) kommt zu Besuch und will die beiden Alten zum Wegzug überreden. Dass er damit nur den Ärger des Großvaters auf sich zieht, scheint er zu wissen.
Es wird nicht viel geredet in diesem Film. Grisi lässt Details und Gesten für sich sprechen. Umso besser begreift man, warum die beiden Alten bleiben wollen. Nicht weil ihr Leben so schön wäre – es war immer schon hart und ärmlich –, sondern weil es ihres ist.
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