Kritik zu Transnationalmannschaft
Mannheim-Jungbusch, ein Stadtviertel mit vielen Bindestrichdeutschen: Philipp Kohl hat für seine Dokumentation Mannheim-Türken, Mannheim-Algerier, Mannheim-Ghanaer und viele andere während der WM 2010 beobachtet
Die wollen hier eine Nummer sein«, sagt der Wirt vom Rhodos am Ende von Transnationalmannschaft. Der Wirt vom Rhodos ist Mannheimer Grieche, wie alle Akteure in Philipp Kohls Dokumentation zuerst Mannheimer sind und dann Träger einer Nationalität, die von Eltern oder Großeltern übrig geblieben ist. Die, von denen der Wirt spricht, sind die Mannheimer Türken, die im Sommer 2010 ein bisschen was von der Anerkennung erfahren, die Mesut Özil bei der Fußball-WM in Südafrika zuteil wird.
Transnationalmannschaft wendet die Idee des in Deutschland so beliebten »Märchens « ins Gesellschaftliche – und erzählt vom WM-Sommer im Mannheimer Stadtteil Jungbusch, der eine Verdichtung jener hybriden Nationalitäten ist, die das deutsche WM-Team so erfolgreich repräsentiert hat. Jungbusch liegt dabei, wie ein Mannheimer-türkischer Anwalt aus der Gegend sagt, mittendrin und nicht als »Ausländerviertel« am Rand wie anderswo: Hier treffen sich nicht nur verschiedene Nationalitäten, sondern auch Rotlicht, Linksalternative, Künstler.
Das führt zu Szenen, bei denen der verbreitete Gegensatz zwischen »den Deutschen« und ihren anderen schon deshalb obsolet geworden ist, weil er sich in der schieren Vielzahl der Mannheimer Herkünfte auflöst: Vor dem letzten Vorrundenspiel gegen Ghana begegnen sich ein Mannheim-Ghanaer und ein Mannheim-Algerier auf der Straße, und während der Mannheim-Ghanaer verkündet, Deutschland würde leider nach Hause geschickt, setzt der Mannheim-Algerier auf ein 3:0 für das von ihm favorisierte Land, in dem er zu Hause ist. Die ängstliche Idee einer Leitkultur ist hier einem friedlichen Pragmatismus gewichen – um sich untereinander zu verständigen, bleibt den Bindestrich-Deutschen nichts anderes als die Sprache ihrer neuen Heimat.
Auf diese Weise produziert Transnationalmannschaft schöne Gefühle. Der Film wird quasi getragen von guten Absichten und weniger von einer dramaturgischen Idee. Seine Struktur geben die Spiele der deutschen Elf in Südafrika vor, was im Film aber äußerlich bleibt. Bei den Spielszenen geht es zuerst um die Euphorie, die etwa der Özil-Müller-Konter zum 4:0 gegen England weckt – die Redundanz von Sympathiebefragung (Antwort: »Deutschlaaand«) und die pädagogisch anmutende Hymnenlektüre (»Einigkeit und Recht und Freiheit«) können daraus allerdings wenig Erzählenswertes ableiten.
An Fassung gewinnen die Gespräche, wo sie den Fußball verlassen und die Migrationsgeschichten fokussieren: Indem der Mannheimer Afghane, der als Gemüsehändler arbeitet, von den Schwierigkeiten am Beginn seiner nunmehr 23 Jahre deutschen Zuhauseseins erzählt, wird die enorme Integrationsleistung sichtbar, die im Laufe dieser Zeit vollbracht worden ist. Transnationalmannschaft erscheint so fast als Werbefilm für die Realität – unterstützt vom DFB, unter Schirmherrschaft von Dietmar Hopp und auf Kosten von ästhetischer Schärfe.
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