Kritik zu Tom of Finland
Dome Karukoski erzählt die Geschichte hinter den Lederkerlen des finnischen Künstlers Touko Laaksonen
Immer wieder erscheint Tom der Mann im schwarzen Biker-Outfit. Die enge Lederhose akzentuiert die kräftigen Oberschenkel und die Ausbeulung dazwischen. Das Gesicht wird dominiert von einem buschigen Schnurrbart. Eine Kappe schirmt seine Augen und betont den durchdringenden, fordernden Blick. So hat Touko Laaksonen ihn unzählige Male gezeichnet. Er ist ein Ideal, ein Traumbild. Aber der finnische Künstler und Werbegrafiker, der als Tom of Finland berühmt geworden ist, kommt nicht von ihm los. Er verzehrt sich nach ihm und versucht zugleich, ihm ähnlich zu werden.
Wie viele Filmbiografien ist Dome Karukoskis Annäherung an Tom of Finland als Rückblende angelegt. In den Momenten vor seinem größten Triumph erinnert sich der Zeichner an die Ereignisse, die ihn geprägt haben. Aber Karukoski und sein Drehbuchautor Aleksi Bardy gießen diese Erinnerungen nicht in eine geschlossene, alles erklärende Form. Ihr Porträt des berühmtesten finnischen Künstlers des 20. Jahrhunderts, der mit seinen Zeichnungen zur Ikone der Schwulenbewegung geworden ist, bleibt brüchig und assoziativ.
In Schlaglichtern offenbart sich ein Leben, das erst im Zweiten Weltkrieg wirklich begann. Da nahm der von Pekka Strang verkörperte Laaksonen als junger Offizier an den Kämpfen zwischen der finnischen und der russischen Armee teil. In den Nächten in der Etappe streift Touko, wortlos angeleitet von seinem Vorgesetzten, durch einen Park, in dem sich im Schatten der Bäume homosexuelle Männer treffen: Cruising als Freiheit, die der Krieg denen schenkt, die ihre Identität unter Androhung von Gewalt und Strafe verbergen müssen.
Nach dem Ende des großen Schlachtens kehrt der Alltag wieder ein. Die repressiven 50er drängen Männer wie Touko zurück in den Untergrund. Man trifft sich immer noch im Park. Doch jede Begegnung ist von Angst vor der Polizei überschattet. Also flüchtet sich Touko in seine Zeichnungen von hypermaskulinen Männern in Uniformen und Leder, von enormen Penissen und Muskeln. Aber auch die dürfen nicht öffentlich werden. Der Versuch, sie in Berlin, der Frontstadt des Kalten Krieges, zu verkaufen, bringt ihn in Untersuchungshaft und wird noch Jahre später tragische Folgen haben.
Dome Karukoski fängt die Angst, die eine homophobe Gesellschaft sät, kongenial ein. Das Bleierne der Nachkriegszeit liefert aber nicht nur einen stimmungsvollen Hintergrund für die Nacherzählung von Laaksonens Leben, das er zu großen Teilen mit seiner Schwester Kaija (Jessica Grabowski) und seinem liebevollen Partner Veli (Lauri Tilkanen) verbracht hat. Es ist auch der Boden, aus dem Toukos Zeichnungen erwachsen. Karukoski feiert das Befreiende dieser expliziten Bilder, die von der Gesellschaft als Pornografie verdammt wurden. Zugleich erinnert er daran, wie sie Furcht in Begehren, Unterdrückung in Erlösung, verwandeln. Die Polizisten, Soldaten, Matrosen und Biker in Tom of Finlands Werk sind keineswegs nur fetischisierte Cartoon-Figuren. In ihnen nimmt der Traum von einer anderen Wirklichkeit Gestalt an. Und diesen Traum haben sich seine Fans in den 60er und 70er Jahren erfüllt, indem sie seinen Fantasien nachgeeifert haben.
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