Kritik zu Sundown – Geheimnisse in Acapulco

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Familiendrama oder Thriller? Das ist nicht so ganz klar im neuen Film von Michel Franco (»New Order«). Interessant ist »Sundown« auf jeden Fall

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Ein Familienurlaub in einem Luxus-Resort in Acapulco: Die erwachsenen Kinder erholen sich, die Frau allerdings ist wegen geschäftlicher Angelegenheiten häufiger am Telefon, während der Mann geistig abwesend wirkt.

Man ist geneigt, Alice und Neil für ein Ehepaar zu halten, und darf eine Ehe in der Krise vermuten, zumal als Alice aus Großbritannien einen Anruf ihrer Mutter bekommt, dass sie sich auf dem Weg ins Krankenhaus befinde. Noch während der Fahrt zum Flughafen kommt dann ein zweiter Anruf: Die Mutter ist gestorben. Am Flughafen kann Neil seinen Pass nicht finden und muss zurückbleiben. Schon bald wird klar, dass er gelogen hat: Er will nur seine Ruhe, eine Auszeit. Er quartiert sich in einem bescheideneren Hotel ein und beginnt eine Affäre mit einer Einheimischen, Berenice. Alice hält er am Telefon mit immer neuen Ausreden hin.

Ein Mann steigt aus – aus der Tretmühle der Arbeitswelt, aus festgefahrenen Familienverhältnissen. Oder steckt mehr dahinter? Da ist der etwas aufdringliche Taxifahrer, der sich mit zwei Freunden auch schon mal ungefragt zu Neil an den Tisch setzt, da ereignet sich später ein Mord am Strand, am hellichten Tag vor aller Augen. Wenn Neil auf die Frage von Berenice, ob er Kinder habe, antwortet Nein, aber seine Schwester habe zwei, denen er sehr nahestehe, dann mag man das noch für ein Täuschungsmanöver halten. 

Erst später, als Alice plötzlich wieder auftaucht und Neil wegen seines Verhaltens beschimpft, wird klar, dass die beiden tatsächlich Geschwister sind, zudem höchst begüterte Erben. Ist Neil das Geld wirklich egal, wie er behauptet? Oder verfolgt er einen langgehegten Plan, den Anteil seiner Schwester an sich zu bringen? Handeln der Taxifahrer und seine Kumpane bei ihrer verbrecherischen Tat, die sich gegen Alice richtet, in Neils Auftrag? Und ist Berenice vielleicht sogar ihre Komplizin, die Neil mit Hintergedanken ausgeforscht hat?

Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel, das der mexikanische Regisseur Michel Franco (»New Order«) in »Sundown« mit dem Zuschauer veranstaltet. Das gemächliche Tempo deutet auf eine Aussteigergeschichte hin, aber kurze Spannungsmomente sorgen immer wieder dafür, dass der Zuschauer eine kriminelle Seite vermutet. 

Als Neil agiert Tim Roth weitgehend stumm, hinter seinem leeren Blick könnten sich Abgestumpftheit und Überdruss verbergen, auch eine Selbstbezogenheit – oder ist das nur eine zur Schau getragene Fassade, die seine Angehörigen täuschen soll? Kurz vor dem Ende des Films, als es tatsächlich so aussieht, als sei der Ausstieg von Neil aus dem Familienunternehmen besiegelt, gibt es eine Enthüllung, die als Begründung für sein Verhalten taugen könnte. Eine hundertprozentige Antwort auf alle Fragen gibt sie keineswegs. Für diejenigen, die die kriminalistischen Aspekte favorisieren, ist das definitiv enttäuschend, wer allerdings die Ambivalenz aushalten kann, kommt auf seine Kosten.

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