Kritik zu Stowaway – Blinder Passagier

englisch © Netflix

Auch in Joe Pennas zweitem Film nach »Arctic« geht es ums Überleben in der Not: Eine Marsexpedition muss mit einem blinden Passagier fertigwerden

Bewertung: 4
Leserbewertung
3
3 (Stimmen: 1)

Erstaunlicherweise eignen sich die unendlichen Weiten des Alls ausgesprochen gut für kammerspielartige Inszenierungen. Filme wie »Moon« (2009, Duncan Jones), »Gravity« (2013, Alfonso Cuarón) und kürzlich »Ad Astra« (2019, James Gray) stehen für das glatte Gegenteil audiovisuellen Sternenkrieg-Krawalls. In ihnen wirkt der grenzenlose Raum vielmehr als He­rausforderung, die das darin nur noch winzig und ohnmächtig erscheinende Subjekt auf sich selbst zurückwirft. Und es ist die Indifferenz, Kälte und Unbeseeltheit der in Finsternis schwebenden Gesteinswelt, die diesen Einzelnen umgibt, die dann die Fragen aufwirft: nach dem Eigentlichen und nach dem Wesentlichen und nach dem Unterschied zwischen Leben, Existieren und Vegetieren. Was zeichnet das Humane aus, wenn nicht Werte und Moral? Was gilt, wenn nichts mehr da ist außer der Technik, die ganz knapp nur das Überleben sichert in gleichgültig tödlicher Umgebung? Und was tun, wenn diese Technik versagt?

Mit »Stowaway« inszeniert Joe Penna eins dieser Science-Fiction-Kammerspiele, in denen sich das Heldische nicht in physischen Fertigkeiten bemisst, sondern in der inneren Haltung. »Stowaway« bedeutet »Blinder Passagier«; mit einem solchen bekommt es die dreiköpfige Besatzung eines Raumschiffs zu tun, das unterwegs ist zum Mars. Commander Marina Barnett, die Medizinerin Zoe und der Biologe David staunen nicht schlecht, als kurz nach Erreichen des Point of no Return ein Mitglied des Bodenpersonals aus einem Versorgungsschacht fällt, der verletzte Ingenieur Michael. Schlimm genug, noch schlimmer aber, dass im Zuge des Unfalls, der den Mann überhaupt erst an Bord brachte, ein Bestandteil des Luftreinigungssystems irreparabel beschädigt wurde. Das heißt, dass der Sauerstoff nicht reichen wird, jedenfalls nicht für alle. Das resultierende Dilemma liegt auf der Hand, die Lösung weniger.

Menschen in auswegloser Lage, das war bereits Thema in Pennas Erstling »Arctic« (2018), in dem Mads Mikkelsen im ewigen Eis ein großes Überlebenskampfsolo spielte. Diesmal sind die vom Tode Bedrohten zu viert, und wieder weicht der Regisseur ihnen nicht von der Seite. Aus dieser fast schon intimen Nähe entsteht Dringlichkeit; verzichtet wird dabei ebenso auf hysterisches Geschrei wie auf das Schüren falscher Hoffnungen; die Ohnmachtserklärungen von Ground Control finden lediglich indirekt Eingang in die Raumkapsel, und so erwächst von außen weder Trost noch Ablenkung. Doch so konzentriert das Drehbuch auf Beziehungen, Gefühlslagen, Gewissensnöte ist, so effektvoll widmet sich die Regie der Umsetzung innerhalb des Genres. Die Schauwerte des in München und Köln gedrehten Films sind beachtlich, die Dramaturgie sorgt für ein gerüttelt Maß Spannung, und das harmonische Zusammenspiel des kleinen Ensembles stellt sicher, dass einem keine der beteiligten Figuren entbehrlich ist. Jedes Leben zählt. Das sind leicht gesagte Worte. Die zugehörigen Taten aber sind weit mehr als nur schwer.

Meinung zum Thema

Kommentare

Gut insziniertes Science Fiction Kammerspiel. Letztlich aber doch etwas blutleer. Die Geschichte lebt vor allem von Plot und Dilemma. Jedoch wirkt der reine Überlebenskampf der Crew so, als ob man alles schon einmal gesehen hätte. Ich hätte mir mehr Fleisch am Knochen gewünscht. Der Film streift menschliche Themen nur und formuliert sie nicht aus. Schade.

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt