Kritik zu Sterben ohne Gott
Wie gehen wir (westliche) Menschen mit dem Tod um? Moritz Terwesten hat in seinem Dokumentarfilm Gespräche mit sieben Fachleuten darüber geführt
Moritz Terwesten war Ende 20, als er diesen Dokumentarfilm drehte. Folgt man den meisten seiner insgesamt sieben Interviewpartner, so ist das ein ungewöhnliches Lebensalter, um über den Tod nachzudenken. Menschen, die mitten im Leben stehen, machen sich normalerweise wenig Gedanken darüber. Es fällt ihnen leicht zu sagen, dass sie keine Angst vor dem Tod haben, wie Terwesten durch Straßeninterviews auch schlüssig beweist.
Nur wenige Menschen haben die Kraft, sich das Leben als endlichen Prozess vorzustellen. Dennoch gehört der Tod dazu. Der in den USA lehrende Sozialpsychologe Sheldon Solomon bezeichnet den Menschen als homo mortalis: Das Wissen, dass wir irgendwann sterben werden, mache uns erst zu Menschen. Sheldon Solomon forscht darüber, wie der Tod das Leben beeinflusst (»Terror Management Theory«). Auch wenn die modernen Gesellschaften das Sterben ausgrenzen und in Hospize verlagern, ist es doch subkutan ständig präsent, in Produkten, die das Altern verhindern sollen, im Wunsch, Eigenes in den Kindern fortzupflanzen, in den vielen Büchern gerade von Prominenten über ihr Sterben, im Bedürfnis, irgendetwas auf diesem Planeten zu hinterlassen.
Der Filmemacher Jörg Buttgereit etwa findet es tröstlich, dass seine Werke ihn überdauern werden. In den Medien, so der Kulturkritiker Wolfgang M. Schmitt, kommt das übliche Sterben selten vor (was so ganz auch nicht mehr stimmt), aber Buttgereit hat sich dezidiert mit dem Tod beschäftigt, in »Nekromantik 1« und 2 und in »Der Todesking«. 2020 hat er zusammen mit dem Biologen und Forensiker Mark Benecke den »Dekompositionsfilm« »Schweinchen« realisiert, die Dokumentation von Zersetzungsprozessen. Als er gesehen hat, so Buttgereit, wie viel Leben aus einem Leichnam entsteht, hat ihn das versöhnlich gemacht: »Man existiert irgendwie weiter.«
Der stärkste Beweis, dass es die Angst vor dem Tode gibt, sagt der Philosoph Franz Josef Wetz, seien die Religionen: »Der Glaube an die Unsterblichkeit ist die vornehmste Art der Todesangst.« »Sterben ohne Gott«, das sagt schon der Titel, seziert seinen Gegenstand aus säkularer Perspektive, der Glaube bleibt eher eine Randerscheinung.
Terwesten hat seinen Film in Schwarz-Weiß gedreht, nur die großartigen, scherenschnittartigen Animationen, die Arda Kilic beisteuerte und die die einzelnen Kapitel des Films verbinden, sind teilweise farbig. Das Schwarz-Weiße nimmt dem Thema, dem Tod und wie wir damit umgehen, das Spektakuläre, bettet es in den Alltag ein, eine gute Entscheidung. Weniger gelungen dagegen sind die Einsprengsel von Bildern alternder Menschen, von Detailaufnahmen wie faltigen Augen oder medizinischen Schläuchen. Und dass der Regisseur sich selbst gerne als Interviewer und Experte zeigt, fällt beim wiederholten Male auch eher unangenehm auf. Aber die Gespräche mit seinen zu mancher Pointe aufgelegten Interviewpartnern machen »Sterben ohne Gott« zu einem interessanten und informativen, zum Nachdenken anregenden Stück Kino.
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