Kritik zu Space Tourists
Dokumentarfilmer Christian Frei hat sich am Weltraumbahnhof Baikonur und Umgebung umgesehen und geht den ersten Erfahrungen mit dem »Alltourismus« nach
Für die Sowjetunion war es der vielleicht größte Triumph während des Kalten Kriegs: Dass sie es war, die den ersten Menschen in den Weltraum schickte. Diese »glorreiche Epoche« hat in einem Land, das den Amerikanern zwar bei der bemannten Raumfahrt den Rang ablief, aber gleichzeitig der eigenen Bevölkerung nicht ausreichend Zahnpasta liefern konnte, kuriose Spuren hinterlassen. Ein erster visueller Coup gelingt dem Schweizer Dokumentarfilmer Christian Frei damit, dass er sich an die Fersen des Magnum- Fotografen Jonas Bendiksen heftet. Gemeinsam bereisen sie Baikonur, den »ältesten Weltraumbahnhof der Welt«, und seine Umgebung. Dort ergeben sich wunderbare Motive: ein in der Sonne glitzerndes, dynamisch in den Himmel weisendes Raumfahrtdenkmal und direkt daneben die verwahrlosten Plattenbauten. Der Widerspruch zwischen hoch entwickelter Technik und ärmlichsten Lebensverhältnissen hat sich seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion hier noch verschärft.
Frei verfolgt sein Thema in zwei ganz unterschiedliche Richtungen: Auf der Erde erforscht er die bewohnte und unbewohnte Gegend, in der früher alle drei Tage eine Rakete startete, ohne sich allerdings zu sehr auf postsowjetische Tristesse einzulassen. In einer der spannendsten Sequenzen des Films begleitet er einen Trupp von »Schrottpiraten«, die in die Wüste fahren, um beim Start einer neuen Rakete aufmerksam zu protokollieren, wo deren abgestoßene Antriebsteile herunterfallen. Die »erbeuteten«, zum Teil sehr wertvollen Metallteile werden kundig ausgeschlachtet und weiterverkauft.
Zwischen die »irdischen« Szenen schneidet Frei die Schilderung einer ganz besonderen Reise ins All: Mit Anousheh Ansari flog zum ersten Mal eine weibliche Touristin von Baikonur zur Internationalen Raumstation. Der Film zeigt die Milliardärin bei den Vorbereitungen und dem Startvorgang, der einem komplizierten Protokoll des Isolierens, Einkleidens und Schleusens folgt. Aus dem Off erzählt Ansari von ihren Motiven und Überzeugungen. Sie will Vorbild sein, sagt sie, und dass es ihr bald viele Menschen nachtun sollten. Als irgendwann der Preis dieser Reise genannt wird, ist man versucht höhnisch aufzulachen: 20 Millionen Dollar hat die Milliardärin bezahlt. Aber dankenswerterweise gibt der Regisseur ihr Gelegenheit, auf solch implizite Vorwürfe zu antworten: Der Preis eines Traums sei nicht zu beziffern, sie hätte auch ihr Leben dafür gegeben, einmal ins All fliegen zu dürfen.
»Space Tourists«, das legen Titel und Marketing des Films nahe, war ursprünglich wohl als Dokumentation über den kommerziellen Weltraumtourismus geplant. Doch bei seinen Ausflügen ins Hinterland muss Frei die Lust auf anderes überkommen haben. Als spät im Film ein zweiter Tourist, der Softwareentwickler Charles Simonyi, beim Vorbereitungstraining gezeigt, wird, ist man schon nicht mehr ganz bei der Sache, genauso wie beim kurzen Ausflug nach Rumänien, wo ein Forscherteam daran arbeitet, billigere Methoden des Weltraumflugs zu erfinden. Eigentlich möchte man lieber weiter mit den »Schrottpiraten« auf Metallsuche gehen.
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