Kritik zu Sinister
Ethan Hawke in einer Gruselstory, die erprobte Standards mixt: das Haus des Schreckens, Dämonen, Massaker, das Röcheln Verstorbener, und 8-mm-Homemovies, die sich als Horrormovies entpuppen
Mehr Licht!« Goethes letzter Satz auf dem Sterbelager. Das ist es, was man der von Scott Derrickson (Der Exorzismus von Emily Rose) mit forciertem Willen zum suggestiven Gruseleffekt in Szene gesetzten Story immerfort zurufen möchte: Unbedingt mehr Licht! Jedes Bild ist in eine Dunkelheit getaucht, die das Verhängnis sogleich von der Ahnung zur Gewissheit werden lässt. Selbst in den Szenen, die bei Tage spielen, erscheinen die Figuren wie Schattenrisse. Und in der Nacht gibt es die endlosen, nur von einer schwankenden Taschenlampe beleuchteten Irrgänge durch Korridore. Dazu ein Soundtrack, der gespenstisches Wispern mit Donnergrollen zu Kadenzen der Unheimlichkeit mixt.
Um etwas Licht in die Story zu bringen, kann man sie in drei Ebenen gliedern. Zuerst gibt es die psychologisch glaubwürdige, von Ethan Hawke subtil gezeichnete Figur des Schriftstellers, der sich in einer Schaffenskrise befindet. Einst wollte er Romanautor werden, hatte aber erst Erfolg, als er Bücher über wahre Verbrechen schrieb. Weil sein letzter Truecrime-Bestseller zehn Jahre zurückliegt, sucht er nun händeringend nach einem spektakulären Fall. Rasch gerät sein Charakter ins Zwielicht von Egozentrik und Heuchelei. Einerseits gibt er sich als Ritter der Gerechtigkeit und fürsorglicher Familienvater, andererseits verschweigt er der liebenswerten Gattin und den zwei netten Kindern, dass die Villa, die sie gerade beziehen, vor einigen Jahren Ort eines grässlichen Massakers war. Diesen ungeklärten Fall will er erforschen und – nach dem Vorbild von Truman Capotes »Kaltblütig« – zum Megabestseller verarbeiten.
Hier entfaltet sich die zweite Storyebene: die detektivische Erforschung eines mysteriösen Verbrechens. Ellison entdeckt auf dem Dachboden eine Kiste mit 8-mm-Homemovies, die Erschreckendes offenbaren: idyllische Familienszenerien, die in Blutbädern enden. Homemovies, die sich in Snuff-Movie-Horror verwandeln. Hat hier ein auf Massaker von Familien spezialisierter Serienkiller seine Untaten gefilmt? Während Ellison dieser Frage nachgeht, springt die Story auf die dritte Ebene: Horror, Dämonologie, Übernatürliches. Eine Ebene, die sich von Beginn an in der aufs Gruselige gestimmten Dunkelheit ankündigte. Plötzlich geht es zu wie in einem Poltergeistfilm: Der Projektor schaltet sich von selbst an, die Kinder wälzen sich in epileptischen Anfällen oder haben Geistererscheinungen. Und ein Wissenschaftler steuert den mythologischen Erklärungshintergrund bei, erzählt etwas von einem babylonischen Gott namens Bughuul, der Kinderseelen verspeist und die Fähigkeit hat, aus Bildern in die Wirklichkeit und wieder zurück zu switchen.
Wer will, kann die Bughuul-Gestalt als Metapher für die mediale Bilderflut, die Kinderseelen verschlingt, deuten. Wer will, kann den ganzen Film als Alptraum sehen, als Fiebervision eines Schriftstellers, der bereit ist, sogar seine Familie für den Erfolg zu opfern. Aber solche Deutungen wären gerade so an den Haaren herbeigeholt und überzogen wie die Story insgesamt. Sinister ist eine nicht sonderlich einfallsreiche Hascherei nach Gruseleffekten in der Art der Paranormal Activity-Serie.
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